Maxi springt halb nackt durch die Wohnung. Ohne darüber nachzudenken. Ich lasse ihn machen. Ohne drüber nachzudenken. Monate im Australischen- und Neuseeländischen Busch liegen hinter uns. Und eine jahrelange, ziemlich liberale Erziehung meiner Eltern. Hippie Denken, das ich gerne an Maxi weiter gebe. Freies Denken, das für Aya erstmal völlig neu ist. Zumindest am Morgen.
Lauft Ihr in Deutschland Alle immer nackt rum?
Seit ein paar Tagen schlafen wir auf dem Sofa unserer neuen Japanischen Freunde. Auf dem Futon. Und haben gleich den ersten Fehler gemacht. Von vielen.
Das Leben inmitten einer Japanischen Familie kann ganz schön tückisch sein. Denn irgendwie sind wir ziemlich verschieden. Grundsätzlich eigentlich. Doch das macht Japan mit Kind erst so aufregend. Und vor Allem lustig.
Von Futons und Duschen:
Abends wird geduscht. Jeden Abend. Mit Haare waschen. Und nicht nur oberflächlich. Es wird zelebriert. Vor dem Essen. Da sind wir nicht abgeneigt. In der Theorie. Der Wille ist zwar da, die Umsetzung hingegen nicht ganz so leicht. Denn in Japanischen Badezimmern ist wirklich Alles mit mindesten zehn Knöpfen versehen. Egal ob Dusche, Toilette oder Lichtanlagen.
Bei unserem ersten Versuch ein Teil der Japanischen Kultur zu werden, stehen wir also erstmal minutenlang unter kaltem Wasser. Und können es gar nicht fassen, dass der Hebel für das Warme nicht funktioniert. Kann er auch gar nicht, denn vorerst muss man den dazu gehörigen Computer programmieren. Den halten wir allerdings für das Radio, und kommen dadurch erst langsam Richtung warme Duschen voran.
Aya bricht halb zusammen vor lachen, und erklärt uns in dem Zusammenhang auch direkt noch die Toilette. Die ist nämlich auch vollautomatisch. Diverse Waschgänge inklusive.
Reinlichkeit ist in Japan Trumpf. Und so dürfen wir am Abend übrigens auch nur auf das Futon, wenn wir unsere Pyjamas anhaben. Nach der Dusche. Der Schlafplatz ist nämlich nur zum Schlafen da. Und das unterliegt in Japan der Sauberkeitspflicht. Mit Strassenklamotten auf das Bett legen und am Nachmittag eine kleine Runde ausruhen, fällt somit flach. Brauchen wir allerdings auch gar nicht, denn es gibt schließlich so viel zu entdecken.
Zügen und Freundlichkeit:
Die beste Art Japan zu bereisen, ist eindeutig mit dem Zug. Der schnelle Shinkansen verschlägt uns die Sprache. Die Sauberkeit in den Zügen auch. Denn wo es im Deutschen ICE oft schon ziemlich gammelig aussieht, könnten wir in Japan unser Sushi theoretisch vom Boden essen. So sauber ist es an Bord. Der Schaffner trägt weiße Handschuhe und verbeugt sich vor uns Gästen, bevor er das Abteil betritt. Mit einer Höflichkeit, die ich so noch nicht erlebt habe. Respektvoll. Natürlich mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Da viele der Fahrpläne, Strassenschilder oder sonstigen Wegweiser besonders in den ländlichen Gegenden oft nur aus Japanischen Zeichen bestehen, sind wir auf die Hilfe der Einheimischen angewiesen. Den ganzen Tag. Viele von ihnen sprechen zwar kein Englisch, sind aber mehr als hilfsbereit. Vergewissern sich bei anderen Mitreisenden, ob ihre Auskünfte uns gegenüber auch richtig sind. Oder bringen uns gleich persönlich zu dem Ort, wo wir hin müssen.
Am Meisten hat mich allerdings das Fahrrad fahren in Japan erstaunt. Oftmals gibt es keine getrennten Wege für Fahrräder und Fußgänger, und dennoch keinen Stress. Niemand motzt den Anderen an, weil er versehentlich vor das Fahrrad rennt. Keine Stinkefinger, keine Randale, kein wildes Geklingel. Das komplette Gegenteil. Jeder nimmt ein bisschen Rücksicht auf die andere Partei, und schon funktioniert es ohne jegliche Aussetzer. Selbst in den überdachten Einkaufspassagen leben fahrende und laufende Menschen friedlich nebeneinander. Miteinander.
Und selbst ein wild umher rennendes blondes Kind bringt hier niemanden aus der Ruhe. Max wird achtsam umrundet und mit einem breiten Lächeln angeschaut. Oft sogar noch auf einem Selfie verewigt. Natürlich nicht ohne vorher höflich zu fragen.
Essen und Verpackung:
Als ich mit Maxi schwanger war, konnte ich von Sushi nicht genug bekommen. Die Weichen waren also schon früh gestellt, in Japan kulinarisch eine Menge Spaß zu haben. Denn wir lieben die runden Rollen und essen hier fast nichts anderes.
Für das Mittagessen nimmt Aya uns deswegen mit in ein Running Sushi Restaurant, und muss schon in der ersten Runde eingreifen: Eigentlich braucht man nur die Tellerchen mit dem Sushi aus den kleinen flitzenden Plastik Ufos heraus nehmen, und den Rest auf dem Band weiterfahren lassen. Bei Max und mir hat das System leider geklemmt und am Ende einmal komplett gestoppt. Alle Japanischen Augen auf uns, Aya’s vor Scham gerötetes Gesicht obern drauf. Am Ende haben wir es natürlich gelernt und sind seitdem zu professionellen Running Sushi Gästen geworden.
Doch selbst die Variante aus dem Supermarkt ist einfach köstlich. Und günstig. Dafür Alles andere als umweltfreundlich. Eine Tatsache, die mich hier wirklich verwundert. Und fast schon schockiert. In Deutschland verzichten wir sogar auf die Mülltüte aus Plastik und gehen mit unserem Jute Beutel shoppen. Nicht in Japan. Alles, wirklich Alles ist in Plastik verpackt. Und das gleich mehrlagig. Selbst der Ketchup in der (Plastik-) Flasche wird noch einmal in eine extra Plastik Verpackung eingeschweißt, bevor er dann an der Supermarkt Kasse in eine weitere Plastiktüte kommt.
Wir versuchen den Verbrauch schon so gut es geht zu vermindern, doch irgendwie bleibt am Ende des Einkaufs doch immer noch eine riesige Menge an Plastik über. Irgendwie verwunderlich, da die Japaner in den restlichen Dingen so fortschrittlich erscheinen. Was das Plastik Problem angeht, hingegen anscheinend noch Jahre zurück liegen.
Mittlerweile sind wir Alle angezogen. Und nicht nur das. Wir sind zu kleinen Japanern geworden. In unseren Kimonos. Schon mehr als eine Stunde bastelt Aya an uns herum. Zieht Ärmel. Bindet Knoten. Legt Falten. Bis Alles sitzt. Japanische Perfektion. Natürlich auch für das Erinnerungsfoto.
Max und ich im Kimono. Aya und ihr kleiner Sohn Riku an unserer Seite. Was für ein Glück, das wir uns gefunden haben. Unsere Unterschiedlichkeit entdecken und gleichzeitig darüber lachen können.
Abends stehen wir zusammen in der Küche. Kochen abwechselnd Japanische oder Europäische Gerichte. Und sprechen über all die Dinge, die rund 10.000 Kilometer östlich von Deutschland komplett anders laufen. Besser? Schlechter? Anders! Doch das macht Japan mit Kind erst so aufregend. Und vor Allem lustig.
Warst Du auch schon in Japan mit Kind? Welche Erfahrungen hast Du gemacht?
Gion says
Super Bericht zu Japan, hat mir gut gefallen!!! Bin ja selber öfters in Japan und hab da immer mit Kindern zu tun. Das ist immer sehr schön. Die Kinder da sind sehr offen, fröhlich und sehr sorgsam. Und sehr selbstständig! Wenn ich das in der Schweiz erkläre, höre ich oft: Die haben halt Disziplin gelernt. Ich glaube nicht. Es ist eher eine Achtsamkeit, die in der Erziehung vermittelt wird. Auf der andern Seite: Die abermillionen Plastiksäcke, die Verpackungen, der endlose Müll, der produziert wird. Das Abschlachten der Wale, die Behandlung der Tiere. Und die vielen Kriege, die geführt wurden. Die schlimmen Erniedrigungen, die Frauen erleiden mussten und teilweise immer noch erleiden. Auch das ist eine Realität in Japan, eine sehr schlimme.
Janina says
Aregato 😉