Indien 2010: Mit Rucksack auf dem Rücken und Baby im Bauch warte ich an einer Bushaltestation im indischen Kerala.
Die Straßen voller hupender Autos. Die Luft so grau, wie das verwaschene T-Shirt, das sich über meinen kleinen Bauchansatz legt. Der Inder hinter mir in der Schlange so nah, als wäre er mein imaginärer siamesischer Zwilling.
Eine unzählbare Masse von Menschen drückt sich an mich. Links, rechts, vorne, hinten. Überall.
Sie stehen für den nächsten Bus an. Ich unter Schock. Kulturschock.
Gerade die ersten Tage in einem neuen Land, können wirklich anstrengend sein: Du kennst vielleicht die Sprache nicht. Die lauten Geräusche, fremden Gerüche, neuen Eindrücke- das kann manchmal ganz schön viel sein.
Das Interessante: Du als Erwachsene(r) wirst dabei wahrscheinlich sogar mehr Probleme haben, als Dein Kind. Für die Kleinen ist das Ganze pures Abenteuer. Sie lassen sich komplett darauf ein, nehmen die Situation an und finden sich in ihr zurecht.
Lass Dich davon mitreißen! Genieß diese Unbeschwertheit!
Und wenn das nicht klappt, beachte die Tipps, die ich Dir mit auf die Reise geben möchte.
Denn: Der Kulturschock ist ein ganz normaler Teil des Anpassungsprozesses an etwas Neues. Dir ungewöhnliches. Häufig besteht er aus fünf Phasen. Wenn Du die einordnen und darauf reagieren kannst, ist das Ganze nur halb so schlimm.
1. Euphorie:
Am Anfang ist meistens alles erstmal ganz wunderbar. Du kommst mit Deinem Kind an einem neuen Ort an. Das Wetter ist toll, die Menschen lieb, eure Unterkunft wunderschön. Prima! Sei euphorisch. Freu Dich darüber! Empfinde Glück und genieß es!
Nicht weiter schwer für Dich, oder? Perfekt. Die erste Phase hast Du damit erfolgreich überstanden.
2. Ernüchterung:
Es ist viel zu warm, die Menschen nerven und in das Essen ist total ekelhaft. Herzlich Willkommen in der zweiten Kulturschock-Phase, der Ernüchterung. Nach der anfänglichen Euphorie fällt Dein Stimmungsbarometer hier erstmal tief in den Keller.
Kein Problem: Versuch einfach locker zu bleiben. Meistens kommt die Ernüchterung (zumindest ist das bei mir immer der Fall) Hand in Hand mit Müdigkeit. Das ist ganz normal. Und so solltest Du es auch annehmen. Nimm Dir und Deinem Kind die Zeit in Ruhe anzukommen, und Euch auf das Neue einzustellen. Denn das Schlimmste kommt erst noch…
3. Eskalation:
Du möchtest Euch Zwei am Liebsten sofort schnappen und nach Hause fahren. Hast schreckliches Heimweh, und fühlst Dich einfach nur fremd und total fehl am Platz. Auch das ist ganz normal!
Psychologen sprechen davon, dass in dieser Phase die eigentliche Anpassung stattfindet. Und die kann Dir ganz schön zusetzen! Sich teilweise sogar in physischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und sogar Angstzuständen widerspiegeln.
Je nachdem wie fremd die Kultur ist, in der Ihr gerade unterwegs seid, kann das Ganze schon recht heftig ausfallen. Gerade wenn Du allein mit Deinem Kind bist.
Sei Dir in diesen Momenten dessen bewusst, und beginne auf gar keinen Fall, an Dir und Deinen Plänen zu zweifeln. Selbst wenn Ihr gerade am anderen Ende der Welt unterwegs seid, und Dir jeder Meter Entfernung zu Deiner Heimat im Herzen weh tut: Alles wird gut, wirklich!
Lass Dich von Deinen Gefühlen nicht verunsichern. Nimm sie an, aber schenk ihnen nicht zu viel Bedeutung. Sei einfach geduldig, denn wenn Du jetzt stark bleibst, hast Du das Schlimmste überstanden. Und der Spaß kann beginnen.
4. Anpassung:
Das Wetter, die Menschen, das Essen: All das, was Dir im euphorischen Zustand noch gefallen, aber während der späteren Phasen zum Wahnsinn getrieben hat, beginnt zu Deinem alltäglichen Blickfeld dazu zu gehören. Es stört Dich nicht mehr, sondern kommt Dir immer Normaler vor. Juhu!
Du bist dabei, die neue Kultur besser zu verstehen, und Dich in ihr wohler zu fühlen. Auf einmal ist Alles gar nicht mehr so schlimm. Und selbst eine undichte Decke regt Dich eher zum Lachen als zum Weinen an. Na also, geht doch!
5. Heimatgefühl:
Du fühlst Dich vollkommen in die neue Kultur integriert und fängst sogar an, verschiedene Muster von ihr zu übernehmen. Ein Bus, der mit mindestens einer Stunde Verspätung ankommt? Kein Problem. Dann habt Ihr während des Wartens wenigstens noch Zeit für andere Dinge.
Jetzt bist Du da, wo Du hin musst. Hin willst: Angekommen in einer nicht mehr fremden Kultur. Mit all ihren Vor- und Nachteilen. Mit ihren schönen aber auch schlechten Seiten. Dem Gesamtpaket, auf das Du Dich so sehr gefreut hast. Und das in manchen Dingen eigentlich sogar noch viel schöner als zu Hause ist.
Du siehst, der Kulturschock führt Dich eigentlich genau dorthin, wo Du hinmöchtest: In die Tiefen einer neuen Kultur. In ihr Innerstes, um sie bis ins Detail zu entdecken und zu verstehen. Und das Beste für Dich und Dein Kind aus ihr zu ziehen. Es einzupacken und am Ende mit nach Hause zu nehmen. Damit Ihr Zwei für immer davon zehren könnt.
In Indien bin ich damals in den nächsten Tempel gestapft, habe mich dort auf den Boden gesetzt und einfach nur geweint. Phase 3 gepaart mit Schwangerschaftshormonen: Super Kombination…
Bis ich die hupenden Autos vor der Tür nicht mehr hören konnte. Mein T-Shirt sich voller nasser Flecken über meinen Bauchansatz gelegt hatte. Und der indische Mönch sich so nah neben mich setzte, als wäre er mein imaginärer siamesischer Zwilling.
Mit einem kleinen Stück Bananenkuchen in der Hand. Für mich. Ich war angekommen. Knapp 10.000 Kilometer von zu Hause entfernt. Und mit einem Biss vom Kulturschock geheilt.
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Wann hast Du Dich am Weitesten von zu Hause entfernt gefühlt?
Ines says
Mein schlimmster Kulturschock stellte sich in Thailand am Ende einer Backpacking-Tour ein. Von den entspannten Inseln zurück im verrückten, lauten Bankok mit seinem Verkehr, Trubel, wild gespannten elektrischen Leitungen und Essensgerüchen. Da musste ich erst einmal wieder mit klar kommen… http://ineslein.blogspot.de/search/label/Thailand
Ich verfolge eure Reise und wünsche euch weiterhin eine tolle Zeit!
LG,
Ines
Janina says
Hey Ines, das kann ich gut nachvollziehen. Obwohl ich Bangkok total liebe, mit all seinem Trubel… Liebe Grüße aus Ubud, Janina
Ines says
Oh je, und Bangkok hab ich auch noch falsch geschrieben hinterlassen :D…
LG,
Ines
Janina says
Alles wird gut 🙂 Liebe Grüße und Kopf hoch!!!