Ich stehe in meiner alten Küche. Als sei nie etwas passiert. Ich koche mir einen Kaffee. Als sei nie etwas passiert. Draussen auf der Straße fahren die gleichen Autos, wie immer. Ich benutze die selbe Tasse, wie immer. Doch ich habe nicht mehr die selben Erinnerungen, wie immer.
Denn es mag zwar Alles so aussehen, wie noch vor 13 Monaten. In mir drin ist Alles anders. Bleibt Alles anders singt Grönemeyer. Bleibt Alles anders denke ich. Auch hier zurück in Deutschland. Zurück in München. Ein Jahr Weltreise mit Kind. Vorbei.
Von lustigen Kostümen und verschwundenen Rucksäcken:
Wir stehen in der Schlange. Menschenschlange Flughafen Berlin Tegel. Es regnet. Es ist kalt. Mehr als die Hälfte der Mitwartenden ist schlecht gelaunt. So sehen sie also aus. Unsere ersten Minuten zurück in Deutschland. Wenigstens der Zoll Beamte lacht:
Na da hast Du Dir aber ein tolles Karnevals Kostüm aus dem Urlaub mitgebracht!
Max guckt mich verstört an. Und zieht seinen traditionelle Mongolischen Mantel ganz fest zu. Als wolle er ihn schützen. Als wolle er sich beschützen. Noch vor ein paar Stunden waren wir in der Mongolei. In einer komplett anderen Welt. Der Kontrast könnte einfach nicht größer sein. Das so betitelte Karnevals Kostüm das einzig greifbare Überbleibsel daraus. Unsere Freundin Zaya hatte es Max vor ein paar Tagen mehr als feierlich übergeben. Er es seitdem nicht mehr ausgezogen. Damit er sie nicht vergisst. Damit er sich an sie erinnert, auch wenn die Erinnerungen irgendwann mal schwächer werden. So weit weg.
Mongolische Rettung, denn was die Deutschen Temperaturen angeht, ist die Bekleidung durchaus passend. Und das einzig Warme, das Max für die nächsten Tage zur Verfügung hat. Denn wir landen zwar ein paar Stunden später in München. Unser Rucksack lässt hingegen noch ein paar Tage auf sich warten.
Auf der ganzen Reise hatte ich ihn nicht ein einziges Mal eingecheckt. Thema Handgepäck und so. Auf dem Flug nach Deutschland mussten wir zwangsweise. Wegen eines Taschenmesser, das Max ebenfalls in der Mongolei bekommen hatte. Blöder Fehler. Mehr als blöd. Denn knapp eine Woche stehen wir ohne unsere Sachen da. Und müssen zusätzlich feststellen, dass Keller feucht und die darin gelagerten vier Kartons innerhalb eines Jahres durchaus schimmeln können. Die Stockflecken erinnern mich an Bali. Der Rest leider nicht.
Von liebenden Familien und missgönnenden Feinden:
Gut, dass in solchen Situationen zu Hause viele verschiedene Arme auf uns warten. Um uns einzufangen. Abzuknutschen. Und erstmal nicht loszulassen. Wiedersehen á la carte. Auch wenn wir über das Jahr diverse WhatsApp Speicher mit Fotos und Videos gefüllt, Skype das ein oder andere Mal zum Abstürzen gebracht und sogar eine einzige Postkarte verschickt haben: Echter Kontakt ist echt schön.
Nicht nur zur Begrüßung, sondern generell. Und somit ein großer Vorteil in München. Und ganz Deutschland. Schweiz. Österreich.
Die nächsten Tage reisen wir von einem Date zum nächsten, erzählen Geschichten, beantworten Fragen, hören Veränderungen. Es ist schon toll, nicht immer erklären zu müssen, woher wir kommen. Was wir machen. Wohin wir gehen. Jetzt geht es nicht um grobe Lebensläufe sondern feine Details. Freunde Details, die sich heimisch anfühlen.
Und auch da sind, als es knallt. Verbal. Digital. Unnormal. Der Grund: Mein Interview bei Spiegel Online. Das ich frisch zurück in Deutschland fröhlich geben darf. Journalistischer Ritterschlag. So fühlt es sich zumindest für mich an, als ich ein paar Tage später die veröffentlichte Fassung im Internet lesen kann. Bis ich zu den ersten Kommentaren gelange. Und mich mehr als erschrecke. Alt und grimmig. Voller Neid und Missgunst. In diesem Fall das komplette Gegenteil von dem Rest der Welt. In dem wir überall mit Liebe, Freude und Hilfsbereitschaft empfangen werden.
In unserer Heimat haut uns das komplette Gegenteil entgegen. Ins Gesicht. Und unterhalb des Gürtels. Den ich zwar nie trage, in diesen Tagen aber ziemlich spüre.
Egoistisch. Unverantwortlich. Sponsored by Mama und Papa. Oder dem Sugardaddy alias Maxi’s Papa. Ach so, Max mit i darf ich laut eines entrüsteten Lesers ja auch nicht mehr sagen oder schreiben. Verlängerung von eigentlich eh schon kurzen Namen. #DIMINUTIV. Wo ist denn hier nur mein journalistischer Kopf geblieben. Wahrscheinlich beim Ritterschlag abhanden gekommen.
#FUCKOFF schafft es dennoch bis in meine Gehirnzellen und bleibt dort auch erstmal für länger. Denn Kommentare von Menschen, die weder uns noch Bärti oder den dazu gehörigen Blog kennen, fallen bei mir direkt durch mein persönliches Arschloch-Sieb und werden nicht weiter beachtet. Genüsslicher lese ich all die lieben, netten, herzlichen Kommentare, Nachrichten, SMS, die mich im Anschluss erreichen.
Es gibt sie also doch, die Deutsche Nächstenliebe und Unterstützung. Vereinzelt in Spiegel Online Kommentaren, umso mehr in der Realität. Danke! Ihr habt mein Weltbild gerettet.
So wie uns diverse Sofas (unsere Wohnung ist immer noch untervermietet) samt wieder aufgetauchten Rucksäcken innerhalb der letzte Tage über den Jetlag und das immer noch/ schon wieder stark ausgeprägte Fernweh trösten. Denn auch, wenn München nicht Bora Bora ist, und mir unsere Videos und Fotos jedes Mal einen kleinen Stich versetzen. Es hat schon was:
Zu wissen, dass hier Menschen auf uns warten. Nicht vergessen. Mit uns Zeit verbringen. Grillen an der Isar immer noch Spaß macht. Ein neuer Skatepark um die Ecke erbaut wurde. Und der naheliegende Supermarkt mittlerweile auch Kokos-Milch im Angebot hat. Die gar nicht so schlecht schmeckt. Im Kaffee. In meiner alten Küche. Mit Grönemeyer im Radio und den Erinnerungen in meinem Kopf. Bleibt alles anders. Mal gucken, wie lange.
Sari says
Richtig cooler Beitrag. Und auch #Arschloch trifft es bezogen auf die Hater exakt. Finde toll was du machst und wie stark du mit Kind bist. Viel Erfokg bei der neuerlichen Reise. Grüße aus Köln
Janina says
🙂 Danke!!!
Chris von Nesting Nomads says
Hallo ihr beiden 🙂
Du schreibst so viel Wahres in diesen einen Artikel und zeigst mir wieder, warum ich seit Jahren versuche Kommentare auf SPON & Co. zu ignorieren – bei deinem Artikel ist ja so viel Quark drunter, es ist erschreckend.
Uns ging es so oft ähnlich in den vergangenen 11 Jahren und darum sind wir inzwischen kaum noch kn Deutschland 😉 aber man sich zum Glück ja auch in Deutschland die Menschen aussuchen, die dem A…sieb-Test nicht standhalten 😉
Viele Grüße, aktuell aus München
Chris
Janina says
Lieber Chris, Danke für Deinen Kommentar und ein Hoch auf das erwähnte Sieb 😉 Alles Liebe für Euch…
Karina says
Es ist unfassbar traurig lesen zu müssen, wie sehr man hier in Deutschland verurteilt wird für etwas, was keine Seele verletzt oder auch nur betrifft.
Vielmehr sollte man voller Bewunderung eure Abenteuer verfolgen. Gibt es ein größeres Geschenk das man sich selbst und seinem Kind machen kann, als so viel von der Welt, der Menschheit und dem Leben zu zeigen? Ich denke nicht.
Ihr seid wundervoll und solltet euch das „fuckoff“ beibehalten.
Liebe Grüße,
Karina
Janina says
🙂
Julia Zimmer says
So ein starker Artikel einer starken Frau!
Nicht zu oft kann ich sagen, was für eine grossartige Leistung ihr verbracht habt. Mit allen Höhen und Tiefen sind hoffenltich viele Erinnerung geblieben. Erinnerungen, an die du denkst, während du den Kaffee aus der selben Tasse wie immer trinkst, die dir immer wieder ein Lächeln auf das Gesicht zaubern.
Um es wie CRO auszudrücken ‘Ich und meine Clique, wir bleiben tru’, macht euer Ding weiter, nicht das #fuckoff vergessen! 🙂
Und so drücke ich euch zwei ganz doll aus der Ferne und wünsche viel Spass auf der Reise, mit einem Lächeln zurückblickend an die innige Umarmung, als wir uns in der Fussgängerzone entgegen gelaufen sind. <3
Janina says
My love, freue mich schon auf unsere nächsten Surf Abenteuer. In welchen Wellen auch immer <3
Inge says
Hallo ihr beiden,
Herzlich willkommen hier. Genießt die schönen Stunden mit den Menschen die euch lieben… andere braucht man nicht ;)…. bleibt so wie ihr seid und ein herzliches Danke für das miterleben euerer reise????
Grüssle aus Franken
P.S. Jede Reise egal wie lange und weit verändert uns… wir (Oma, Tochter, Enkelin) möchten die nicht missen ???? …
Janina says
… und schon sind wir wieder unterwegs 🙂 Liebe Grüße aus Panama!
Josi says
Dein Artikel spricht mir aus der Seele. Als wir von unserer fast 9-monatigen Reise wieder in Deutschland gelandet sind, haben wir uns gefühlt wie auf einem fremden Planeten. Kalt, ungastlich, fremd. So ein A….Sieb hilft leider auch nur bedingt und filtert eben nur den Großteil raus – ein bisschen was bleibt hängen und das zehrt ganz schön an den Kräften und am Weltbild. Unsere Lösung: Kind einpacken, Rucksack auf den Rücken und wieder los in die Welt.
Janina says
Was für ein Unterschied hier in Mexiko: Die Leute strahlen und freuen sich, wenn Kinder wild umher fetzen 🙂 Ganz liebe Grüße!
Claudi says
Du bist so sympathisch und ein Vorbild, das wollte ich loswerden. Hater gibt es immer und wird es immer geben leider. Da spricht der Neid aus den Menschen. Lass dir dein hübsches Lächeln nicht nehmen 😉 LG aus Obermais
Janina says
Danke, liebe Claudi und viele Grüße aus Island!!!