Das dreckige Gesicht strahlt von einem Ende zum anderen. Die blonden Haare funkeln in der Sonne. Die krummen Zähne sind noch mit dem Rest des Frühstücks glasiert. Die Augen lediglich als kleine Schlitze zu erkennen. Pure Freude. Purer Stolz. Pure Dankbarkeit. Vorsichtig hält er es in seinen Händen. Das Bild von einer überdimensionalen Holzrampe. Einer gefährlich hohen Eisenstange. Und einem darauf entlang gleitenden Skateboardfahrer. Mittig in silber auf schwarzem Grund:
To Maxi. Tony Hawk.
Vier kleine Wörter mit größter Wirkung. Seitdem ich denken kann, gehört Tony Hawk zu meinen größten Idolen. Seitdem Max mit dem Skaten angefangen hat auch in seine Hall of Fame. Eine Legende. Ein Idol. Ein Vorbild. Bereits an unserem erste Tag hier in Encinitas vor fast zwei Monaten hatten wir ihn gesehen. Ganz zufällig. Ganz unspektakulär. Doch für uns ein großer Moment. Der vorbei gezogen ist. Mit nachhaltiger Wirkung. Die Version zum Mitnehmen hält Maxi jetzt in seiner Hand. Und lässt sie so schnell nicht mehr los.
Selber vertrauen:
Knapp drei Wochen ist es her. Der Unfall, der uns ziemlich aus der Bahn geworfen hat. Meine Skateboard Karriere erst einmal pausieren ließ. Immer noch lässt. Kaputtes Knie. Kaputtes Innenband. Ein amerikanisches Krankenhaus nach dem anderen. Eine ungemütliche Diagnose gefolgt von der nächsten. Am Ende konnte ich fast nur noch lachen, denn es hat einfach nicht aufgehört. Einmal komplett den Bach runter. Dass es uns so erwischt, hätte ich nicht gedacht. Dass ein unaufmerksamer Moment so viel mit sich bringt, auch nicht. Und trotzdem.
Selbst in dem Moment in der Notaufnahme in Krankenhaus Nummer drei, inmitten von hellen Laken, die nach Desinfektionsmittel riechen und dunklen Prognosen, die Maxi und mir ans Bett geliefert werden. Als sich niemand von unseren angeblichen Freunden blicken lässt, und es nur uns gibt. Zwei Gestrandete auf einer sterilen Insel. Selbst in diesem Moment ist es für mich so klar, wie die Schiebetür, die alle paar Sekunden auf und zu geht. Glasklar. Wir schaffen das. Wir zwei. Egal, was noch auf uns zukommt. Egal, wie lange das Ganze hier noch dauern wird. Egal, welche Hiobsbotschaften uns noch präsentiert werden. Unterkriegen lassen wir uns nicht. Weder schnell noch langsam. Weder hier noch irgendwo anders. Krücken schnappen, einmal tief durchatmen und weiter gehts. Ziel unbekannt. Lösung ebenfalls. Hauptsache weiter.
Diese Selbstvertrauen. Diese Selbstsicherheit. Dieses Urvertrauen. Das haben wir beide mitgekriegt. Anscheinend in großen Mengen. Und das ist es, was uns jetzt zwar straucheln lässt. Doch nicht umknicken. Eher wie Bambus. Links und rechts schwankend im Monsun, trotzdem weiterhin stabil. Vielleicht von einer tränenreichen Regenzeit überschüttet, doch tief verwurzelt. Und dafür bin ich dankbar. Nach Regen kommt Sonnenschein. Unser Mantra in dieser Zeit. Unsere Rettung, nicht nur jetzt.
Selber annehmen:
Eigentlich war es immer so. Und ist es auch jetzt. Dinge, die passieren, passieren nicht ohne Grund. Nie. Auch nicht bei uns. Es hat schon seinen Sinn, dass wir noch einmal nach Encinitas zurück kommen mussten. Es hat schon seinen Sinn, dass wir Freundschaften nochmal überdenken dürfen. Und es hat schon seinen Sinn, dass Pläne überdacht und verändert werden können.
Solche Gedanken kommen mir natürlich nicht beim Entgegennehmen von Krankenhaus Rechnung Nummer fünf. Auch nicht während der Physio Therapie, wenn ich das Gefühl habe mein Bein bricht gleich noch einmal komplett durch. Es fällt mir ebenfalls schwer daran zu denken, wenn ich zweimal am Tag Tabletten im Wert von mehreren Hundert Dollar einnehmen muss, und dabei fest hoffe, dass sich das Blutgerinnsel in meinem Bein endlich aufgelöst hat. Solche Momente sind vielleicht nicht die besten, um in mich zu gehen. In mich zu horchen. Dankbar zu sein. Da hilft jegliche Ausgeglichenheit nur zu einem kleinen Teil. Verschwindend klein.
Doch es sind all die wunderschöne Situationen drum herum. Die mich aufhorchen lassen. Noch einmal Genau hinzugucken. Noch einmal drüber nachzudenken. Und Entschlüsse zu ziehen, die mir vorher nicht so bewusst waren. Entscheidungen zu treffen, die sich beim näheren Hinsehen als richtiger entpuppen. Lösungen zu finden, die für uns einfach besser sind.
Es macht Sinn, dieser Umweg. Selbst in seiner krassen Form. Es macht Sinn, dieses Innehalten. Selbst wenn es anfänglich nicht so aussieht. Situationen annehmen, wie sie sind. Situationen wertschätzen, wie sie sind. Lektion gelernt.
… und akzeptieren, wenn es genug ist:
Meine Füße sind auf dem Tisch platziert. Der Kaffee direkt nebenan. Die Vögel zwitschern um mich herum. Es riecht nach Blumen. Es riecht nach Ruhe. Es riecht nach Pause. Zwangspause. Zwingend notwendig. Zwingend erwünscht. Seit ein paar Tagen wohnen wir ein bisschen ausserhalb der Stadt. Mitten in der Natur. Mitten im Paradies. Und machen halblang. Verbringen zumindest einen Teil der Tage in unserem Garten. Pflücken reife Orangen für unseren Saft, und frisches Gemüse für unseren Salat. Max spielt mit dem mitgelieferten Hund, ich koche in der dazugehörigen Küche. Ein absoluter Airbnb Glücksgriff. Genau das, was wir momentan brauchen. Und genießen.
Es hat schon was immer unterwegs zu sein. Es hat schon was immer zu entdecken. Doch es hat auch was einfach mal durchzuatmen. Für mich gar nicht so einfach. Mit meinem kaputten Knie dafür umso leichter. Zumindest jetzt. Zumindest für ein paar Tage. Zumindest zum Sortieren. Und ausmisten. Von alten Gedanken. Platz schaffen für neue Pläne. Die Umgebung könnte nicht besser sein.
Nicht nur im Grünen, sondern auch auf dem Grauen. Seitdem wir zurück in Encinitas sind, hat auch der Skatepark uns wieder. Maxi dreht auf dem Beton seine Runden. Ich mache beim Bordstein auf und ab steigen meine Fortschritte. Da ich momentan eher ausserhalb des Parketts unterwegs bin, muss Maxi sich neue Mitglieder fürs Skate Team suchen. Und landet direkt bei der Richtigen. Jordyn Barrat. Eine Profi Skateboarderin.
Liebe auf den ersten Blick. Eigentlich ist Jordyn eher mit den Besten der Besten auf vier Rollen unterwegs. Tony Hawk inklusive. Seit ein paar Wochen zusätzlich mit einem kleinen Anhängsel im Schlepptau. Fast jeden Tag treffen die beiden sich und skaten umher. Verbringen Stunde um Stunde im Skatepark zusammen und diskutieren im Anschluss bei Pizza über ihre neuesten Tricks. Maxi blüht auf. Maxi strahlt. Erst Recht als sie ihm mit einer Überraschung entgegen gerollt kommt.
Ich habe Tony von Dir erzählt. Er findet dich ganz toll.
Das dreckige Gesicht strahlt von einem Ende zum anderen. Die blonden Haare funkeln in der Sonne. Pure Freude. Purer Stolz. Pure Dankbarkeit. Umleitungen führen manchmal zum eigentlichen Ziel. Vor Allem in Kalifornien. Vor Allem für uns. Denn dafür hat es sich mehr als gelohnt. Dafür und für so viel mehr.
Wie gut bist Du im Situationen annehmen auf Reisen mit Kind?
Silke Gutzeit says
Hallo ihr 2….ich bin grad mit meinem Sohn in Japan!!
Das ist unser erster weiter Trip. ..sonst sind wir nur in Deutschland oder Dänemark unterwegs gewesen! ! LG Silke und felix
Janina says
Juhu, ganz viel Spaß und vor Allem Guten Appetit. Wir reden so oft von dem leckern Sushi in Japan 🙂 Ganz liebe Grüße aus Kalifornien!!!
Franziska says
Hallo Janina,
toller Artikel!
Ich wünsch dir weiter, keine schnelle aber gute Besserung und euch ne schöne Zeit!
PS: Du begleitest mich seit Wochen bei den Vorbereitungen für die Reise mit meinem Sohn nach BKK, Australien, Japan … hab viel Inspiration und Tipps mitgenommen. Danke!
Franzi
Janina says
Ds freut mich, danke liebe Franziska. Habt ganz viel Spaß und versucht in Japan unbedingt Couchsurfing, da kommt ist am Besten richtig in die Kultur. Wr haben es geliebt 🙂 Viele Grüße aus San Francisco