Wir sind da: Mitten im Dschungel. In einem kleinen Dorf in der Nähe von Amed, im Osten Balis. Das Szenario könnte einfacher nicht sein:
Links und rechts ein paar kleine Hütten. Auf dem Lehmboden laufen Hühner umher. Kinder spielen mit einem zusammengeflickten Fußball. Eine Frau kocht am offenen Feuer Café. Es riecht nach Erde. Die Hälfte des Dorfes sitzt zusammen. Diskutiert. Lacht. Ist laut und dann wieder ganz leise. Die Stimmung ist gelassen und entspannt. Ich hatte es mir fast anders vorgestellt. Magischer. Vielleicht sogar dramatischer? Oder eigentlich genau so, wie ich es jetzt sehe?
„Om swastiastu“, mit gefalteten Händen vor dem Herzen werde ich empfangen. Und mit einem Mal gepackt. Von der Magie dieses Ortes. Dessen Zentrum ein alter, kleiner Mann ist, der nicht größer wirken könnte. Der Wunderheiler. In seinen zerschlissenen Boxershorts sitzt er da. Lächelt. Herzlich.
Made, ein balinesischer Freund hat mich hierher geführt. Jetzt sitzen wir zusammen an einem aus strahlend blauen Fliesen zusammen gebastelten Tisch, trinken Café, und essen Erdnüsse. Abseits der Menschenmenge. Ich bin die einzige Ausländerin hier, und fühle mich sofort wohl. Und heimisch. An einem Ort, der meinem Heim in Deutschland nicht ferner sein könnte.
Plötzlich steht er auf, und kommt auf mich zu. Die Seele, die für mich zuständig ist, sei jetzt da. Die anderen müssen erst einmal warten. Er setzt sich zu mir. Auf einen Café. Und ein paar Erdnüsse. Schaut mich an. Und legt los. Ungefragt.
An jeder Ecke ein Gott. Mindestens.
Egal wohin wir auf Bali kommen, die Götter sind schon da. Und immer präsent. Ich habe noch keinen so spirituellen Ort besucht, der mich und selbst Maxi von Anfang an gepackt hat. Aber in einer unaufdringlichen Art und Weise. Ganz natürlich. Ohne großes Theater. Ohne Inszenierung. Für die Balinesen gehört es einfach mit dazu. Für uns mittlerweile auch.
Es vergeht fast kein Tag, an dem wir nicht kurz an einem Tempel anhalten. Uns hinsetzen. Zur Ruhe kommen. In uns gehen. Und ihn genießen. Diesen Mix aus Buddhismus, Hinduismus, Naturreligion und Ahnenverehrung. Der geordnet auf Gegensätzen basiert: Himmel und Hölle, Berge und Meer, Hell und Dunkel, Gut und Böse. Eines so wichtig, wie das Andere und deshalb gleichermaßen zu beachten.
Blumenkörbchen, Bananenblätter, Cafétassen:
Am Anfang ist es uns sogar ab und zu passiert, dass wir fast drauf getreten sind. Auf die Opfergaben, die hier sogar mitten auf dem Fußweg platziert werden:
Kleine Körbchen aus Bananenblättern geflochten, und mit Blumen gefüllt. Daneben meist noch ein bisschen Reis. Dankbarkeit, für das, was wir täglich haben. Etwas zurück geben, um die Götter zu erfreuen und die Dämonen zu besänftigen.
In jedem Zimmer gibt es extra einen kleinen Schrein, in den die Opfergaben gelegt werden. Gemeinsam mit Wasser, Räucherstäbchen und manchmal sogar Café. Als Maxi und ich vor Kurzem bei einem Freund zu Besuch waren, hat er uns ein Tablett mit ingesamt acht kleinen Gläschen voll mit Wasser, Tee und Café gebracht. Drei davon waren für uns, den Rest hat er im Haus verteilt. Für die Götter. Ganz selbstverständlich.
Mir gefällt diese Form des (Zurück-) Gebens so gut, dass ich mich jedes Mal total freue, wenn wir in einen Tempel fahren und vorher noch an einem kleinen Warung anhalten. Um zu shoppen. Eine kleine Tüte voll mit Blütenkörbchen, frisch aus dem Kühlschrank. Und eine Packung Räucherstäbchen, die wir dann für die Götter anzünden.
Wie die leuchtenden Laserschwerter bei Star Wars, oder Mami?
Ob der Wunderheiler das genau so sieht? Wahrscheinlich eher nicht…
Er kommt ursprünglich aus ganz einfachen, sehr unglücklichen Verhältnissen und hat deshalb vor vielen Jahren versucht sich umzubringen. Zu erhängen. Dreimal. Doch jedes Mal kam etwas dazwischen: Ast abgebrochen, Strick gerissen, Baum umgefallen. Dann wurde ihm im Traum gesagt, dass er heilen kann. Mit anderen Seelen kommunizieren. Er sich dafür aber nie wieder die Haare schneiden darf. Sonst würde er sofort sterben.
40 Jahre ist er alt. Sieht allerdings eher aus wie 80. Mit müden, trotzdem strahlenden Augen und einem wunderbaren Lächeln. Mehrere Seelen können von ihm Besitz nehmen und mit derjenigen seines Gegenübers kommunizieren.
Für manche westlichen Ideen und Gewohnheiten mag das vielleicht etwas komisch klingen, in seiner Gegenwart daran zu zweifeln, ist allerdings unmöglich. Nicht nur für balinesische Patienten.
Mich hat er bereits mit seinen ersten Blicken und den ersten Sätzen gepackt. Made übersetzt vom Balinesischen ins Englische. Ohne, dass ich auch nur eine Sache fragen oder erzählen kann, teilt er mir bis ins Detail die Dinge mit, die mich die letzten Tage beschäftigt haben. Volltreffer. Ich fange an zu zittern, während der Schamane ganz entspannt eine Nuss nach der anderen verspeist.
Burning man. Auf Balinesisch:
Eine der größten und wichtigsten balinesischen Zeremonie ist die Verbrennung der Verstorbenen. Denn nur so können die Seelen frei kommen, und in das nächste Leben weiter ziehen. Dafür werden selbst bereits begrabene Körper wieder ausgegraben, die Knochen gewaschen und für die Feuerbestattung vorbereitet.
In Ubud durften wir an solch einer Zeremonie teilnehmen und ich war erst einmal überfordert (während Maxi es irgendwie ganz cool fand): Überall stehen große, aus Pappe gebaute Pferde, die mit den Leichenteilen und verschiedenen Opfergaben gefüllt werden. In langen Schlangen bringen die Familien die Überreste und ihre Habseligkeiten zu den Figuren. Wie ein kleiner Karnevalsumzug. Allerdings nur fast. Der Geruch ist zwar auch süsslich, geht aber nicht gerade in Richtung Bonbons.
Sind alle Figuren gefüllt, und die Gebete gesprochen, werden die Pferde angezündet und los gehts: Auf in ein neues Leben. Gute Reise, liebe Seele.
Von meiner Reise erzählt mir der Wunderheiler auch. Er weiß alles: Von beruflichen Veränderungen bis hin zu privaten Ereignissen. Aus der Vergangenheit, dem Jetzt und der Zukunft. Bis ins Detail. Ohne, dass ich ihm auch nur eine einzige Frage dazu stellen muss.
Immer wieder schaut er zuerst zu mir, dann in seine Hand und fängt daraufhin an zu reden. Zu erzählen. All das, was ich an diesem Tag, an diesem Platz erfahren soll.
Und mir für den Weg raus aus dem Dschungel ein typisch balinesisches Lächeln auf mein Gesicht zaubert.
Hast Du auch schon einmal so eine wunderbare Erfahrung gemacht?
Stephie says
Wunderschön. Fühle mich verzaubert. Hatte auch grad den tipp von der Schönheit Ameds bekommen. Bali steht bei uns auch noch an aber da ich nun mit Junior entschieden habe nochmal den U-turn mach Thailand zu machen fuer Weihnachten, kommt Indonesien erst im nächsten Jahr. Und aktuell haben wir noch unser Herz an Malaysia verloren. Ich hoffe sehr, dass wir den gleichen Zauber wie ihr spüren werdet. Eine tolle Weiterreise fuer euch und viel Spaß in Australien.
Janina says
Danke, liebe Stephanie! Euch auch weiterhin gutes Reisen und viele unvergessliche Momente…
Tanja says
Hallo Janina,
ich habe begeistert Deine Erlebnisse auf Bali gelesen und freue mich in 7 Tagen endlich hinfliegen zu dürfen. Da ich auf jeden Fall eine alternative Heilmethode dort ausprobieren möchte, wärest Du so nett und würdest mir den Namen / Adresse von Deinem Heiler/Schamanen mitteilen? Liebe Grüße aus Frankfurt! Tanja
Janina says
Liebe Tanja, danke für Deine Nachricht und Du kannst Dich total auf Bali freuen. Den Namen des Heilers kann ich Dir leider nicht geben, da er eigentlich nicht für “Touristen” ist. Musst Du also selber rausfinden 🙂 Aber wenn Du erstmal vor Ort bist, wird sich sicherlich eine Möglichkeit ergeben… Ganz liebe Grüße aus Australien