Mit letzter Kraft schleppt sie sich an den Strand. Noch ein Stückchen weiter. Bis sie den richtigen Platz gefunden hat. Der Vollmond scheint auf sie herab. Es ist Nacht. Es ist kalt. Es regnet. Mit ihren großen Flossen fängt sie trotzdem an zu buddeln. Immer schneller. Immer tiefer. Der Sand fliegt wild umher. Doch die Aktion ist bis aufs Letzte geplant.
Ein Ei nach dem anderen flutscht aus ihr heraus. Kullert in die Grube rein. Wir kommen mit dem Zählen nicht mehr hinterher, so schnell geht es. Bis es von einem Moment auf den nächsten aufhört. Der riesiger Panzer samt Inhalt dreht sich um. Einmal im Kreis. Erblickt Max. Schaut ihn an. Eine Sekunde lang. Dann zieht die Meeresschildkröte weiter. Zurück Richtung Strand. Zurück Richtung Wasser.
Noch Monate später erzählt Max von diesem Erlebnis. Und ist mehr als traurig, dass wir nicht dabei sein können. Als das Leben der Kleinen so richtig beginnt. Und sie im Februar 2017 den Strand von Mon Repos in Australien überqueren. Ohne uns, denn da sind wir schon lange weiter.
Am anderen Ende der Welt
Acht Monate später. Costa Rica mit Kind. Wir sitzen im Bus. Mal wieder. Unser Lieblings Transportmittel in Mittelamerika. Denn die Busse sind nicht nur ziemlich gut in Schuss, sondern auch noch ziemlich günstig. Und meistens sogar pünktlich. Selbst um die Grenze zwischen Panama und Costa Rica zu überqueren. Ohne große Organisation. Ohne große Probleme.
Jetzt ist es früh am Morgen. Die letzten Nächte haben wir im Dschungel verbracht. In einer kleinen Hütte, auf einer großen Couch. In Panama waren wir meistens in Hostels unterwegs, in Costa Rica verschlägt es uns wieder auf ein einheimisches Sofa. Ausserhalb der Stadt. Mitten in der wilden Natur. Tagsüber laufen wir mit Stöcken bewaffnet durch den Dschungel zum Strand. Klopfen immer wieder auf die Erde. Hoffen immer wieder die Schlangen damit aus unserem Weg zu vertreiben. Und werden Nachts vom lauten Gebrüll der Affen geweckt. Leben wie die Einheimischen.
Reisen wie die Einheimischen. Richtung Norden. Vorbei an Bananenplantagen. In denen die Arbeiter mit Gummistiefeln zwischen den Bäumen umher stampfen. Bis hin zu einem Containerhafen, an dem die Pakete direkt aufs Schiff in die ganze Welt verladen werden.
Und wir in die nächste Nussschale nebenan. Vier Stunden schippern wir so durch die Pampa. Durch den tiefsten Urwald. Durch die schönste Natur. Durch die Heimat von Kaimanen und Krokodilen. Noch mehr Schlangen. Noch mehr Affen.
Touristen, Hängematten und…
Bis nach Tortuguero. Hier sind wir nicht die Ersten. Und sehr wahrscheinlich auch nicht die letzten Touristen. Doch irgendwie schaffen wir es uns von der Masse abzusetzen. In dem wir nicht in den weltbekannten Nationalpark gehen. Sondern lieber durch die kleinen Wege des Dorfes schlendern. Vorbei an den bunten Häusern. Vorbei an den spielenden Kindern. Getragen von der lateinamerikanischen Musik, die hier überall aus den Boxen scheppert. Die Hängematten im Takt schaukeln lässt, und die daraus hängenden, winkenden Hände gleich dazu. Wir verlaufen uns regelmäßig in diesem kleinen, verwinkelten System ohne Autos, und schaffen es am Ende doch immer auf die andere Seite zu kommen.
An der die lauten Wellen jegliche Geräusche überdecken. Und die Palmen mit ihren Blättern den Job der winkenden Hände übernehmen. Im Takt des Windes. Im Takt des Rauschens. Im Takt der wilden Natur, die hier nach wie vor das Sagen hat. Keine Bars. Keine Strandliegen. Keine sich bräunenden Europäer. Stattdessen Treibholz Stücke so groß wie kleine Kinder. Löcher im Sand, so groß wie kleine Sandkästen. In denen keine blauen Plastikschaufeln, sondern gelbliche Eierschalen liegen. Und sich immer mal wieder etwas bewegt.
Jeden Tag gehen wir hier spazieren. Am späten Nachmittag. Wenn die Sonne langsam unter geht. Der Tag endet, und neues Leben durchstartet. Im Turbogang. Wie von der Tarantel gestochen rennen sie los. Watscheln sie los. Vom Strand in Richtung Wasser. Eine Flosse vor die nächste. Mit kurzen Stopps zum Verschnaufen. Maxi läuft ganz aufgeregt nebenher. Verscheucht die über ihn kreisenden Vögel, die nach dem nächsten Snack Ausschau halten. Die wartenden Krebse, die sich schon ihre Scheren schärfen. Bis runter ans Wasser. Bis runter in die Wellen. Wo es Eine nach der Anderen schafft. Und die große Reise der kleinen Wasserschildkröten Babys erst so richtig losgeht.
Monatelang hat er auf diesen Moment gewartet. Musste einmal um die halbe Welt fliegen um hier anzukommen. Um das miterleben zu dürfen. Und danach ganz still zu sein. Vor Begeisterung. Und danach wild los zu plappern. Vor Begeisterung. Jetzt können wir weiter.
Couchsurfing deluxe
Der nächste Bus. Das nächste Ziel. Die nächste Couch. In weiser Voraussicht bereits mit gewaschenen Haaren und frisch gereinigten Klamotten. Warmes Wasser ist mittlerweile keine Selbstverständlichkeit. In Tortuguero schon. Also legen wir am letzten Tag noch einmal los. Mit unserem Programm. Damit wir wenigstens nicht ganz so dreckig bei unseren nächsten Gastgebern ankommen. Einer Freundin. Von einem Freund. Von einer Freundin. In San Jose.
Mit dem Taxi fahren wir von der Busstation zu ihrer Adresse. Es ist schon dunkel, die Strassen wenig beleuchtet. Einmal links. Einmal rechts. Vorbei an einem Sicherheitsbeamten, der die Wohngegend bewacht. Immer geradeaus. Bis zu einem Brunnen. Bis zu dem Moment, an dem ich denke, wir sind falsch. An dem ich merke, sind wir nicht!
Ein Palast. Nicht mehr. Nicht weniger. Fünf Angestellte, die die nächsten Tage rund um die Uhr um uns herum wuseln. Selbst nachts, wenn Max vor Aufregung nicht schlafen kann. Und ich vor Freude kein Auge zu bekomme. Am Morgen gucken wir beim Frühstück über die Stadt. Am Mittag pflücken wir Obst aus dem eigenen Garten. Abends sitzen wir an der Tafel zusammen. Und selbst das Wasser aus der Leitung ist warm. Zweimal Haare waschen in einer Woche. Das hatten wir schon länger nicht mehr.
Echte Schildkröten Babys am Strand. Laute Affen Nachbarn in den Bäumen. Unechte Tigerfelle vor dem Kamin. Vom tiefen Dschungel bis in die High Society. Costa Rica ist abwechslungsreich. Und das nicht nur in Flora und Fauna. Sondern noch mehr in Leben und Erlebten. Pura Vida eben!
Was hast Du in Costa Rica mit Kind erlebt?
Nadja says
Spannend was ihr in Costa Rica erlebt, macht Lust auf mehr 🙂
Janina says
Die ganze Welt ist so spannend und macht so Lust auf mehr 🙂 Liebe Grüße aus Mexiko!!!
Anne says
Diese Erzählung von den Schildkröten ist einfach wunderbar. Das ist wirklich erlebte Natur. Kein Kindergarten oder Schulunterricht kann das leisten. Wie genial für deinen Sohn, so zu lernen. Ihr macht alles richtig!!
Liebe Grüße aus Berlin,
Anne
Janina says
Danke liebe Anne! Ja, ich denke es mir auch jeden Tag: Es ist so unglaublich toll, was Maxi Alles lernt. Ganz automatisch 🙂 Liebe Grüße aus Nicaragua!