Lässig lehnt er sich an die Wand des Holzregals. Umringt von seinen vielen Freunden, versprühen sie pures Abenteuer, Entdeckerlust und Unabhängigkeit. Die Fingerabdrücke meiner Vorgängerin kleben noch an seinem Rücken. Ich stehe anhimmelnd vor ihm. Mein Kopfkino hat den Blogbuster schon längst angeworfen.
Früher wäre ich spätestens jetzt schwach geworden. Wir wären schon gemeinsam auf dem Weg zu mir nach Hause. Direkt ins Bett.
Doch nach einigen Jahren Erfahrung, herben Enttäuschungen und unnötigen Lasten, hört unsere Reise bereits auf, bevor sie richtig angefangen hat.
Du bleibst schön hier: Im Regal meiner Buchhandlung für Reiseliteratur in München.
Damals war alles anders
Noch bis vor Kurzem hatte ich eigentlich bei jeder Reise einen Reiseführer mit dabei. Doch meistens habe ich nur selten darin gelesen. Gründe dafür gibt es viele:
Das Alter:
Du kannst einen noch so aktuellen Reiseführer kaufen und mitnehmen. Dennoch kann es vor Ort schon wieder ganz anders aussehen. Sehenswürdigkeiten, Ausflugstipps, die besten Strände, daran ändert sich meistens nichts so schnell. Aber gerade bei Unterkünften oder Restaurant-Tipps machen ein paar Monate zwischen Schreiben und Lesen einiges aus.
Mir ist es schon passiert, dass ich ein schönes Hostel in einem Reiseführer gefunden habe, und bei Ankunft war es gar nicht mehr da. Ähnliches mit Restaurants:
Dir kann beim Anblick eines netten Fotos aus dem Reiseführer schon das Wasser im Mund zusammen laufen. Kaum seid Ihr vor Ort, gähnende Leere oder ein süffiger Imbiss anstatt Deines erhofften Gourmet-Tempels.
Die Lösung:
Verlass Dich lieber auf Empfehlungen von Anderen vor Ort. Du wirst immer jemanden treffen, der Dir von der momentan angesagtesten Garküche, oder dem frisch bezogensten Airbnb Bett berichten kann. Und diese Tipps sind viel mehr wert, als die oft veralteten Angaben in Deinem Reiseführer.
Ähnliches mit den Sehenswürdigkeiten:
Auch hier kannst Du vor Ort einfach von den Einheimischen, durch ausgelegte Flyer in Restaurants oder die Erfahrungen anderer Reisenden brandaktuelle Infos bekommen, was Du auf gar keinen Fall verpassen solltest.
Hör Dich einfach ein bisschen um, und frag gezielt bei Menschen nach, die Du auf Deiner Reise kennen lernst. Manchmal findet sich dadurch nämlich auch gleich noch jemand, der den berühmtesten Tempel Balis mit Dir und Deinem Kind gemeinsam entdecken mag.
Und zur Not gibt es ja auch immer noch das Internet. Wenn Du im Vorfeld oder Zwischendurch trotzdem ein bisschen herumstöbern möchtest, gibt es genügend Reiseempfehlungen und Erfahrungsberichte online. Die sind meistens auch noch ziemlich aktuell und durch Bewertungen von anderen Reisenden ergänzt.
Die Größe:
Genau 605 Gramm – so viel wiegt zum Beispiel der Lonely Planet Reiseführer Brasilien. Und somit 605 Gramm mehr, die Du auf Eurer Reise mit Dir herum schleppen musst. Klingt erstmal wenig, kann auf dem Rücken aber ganz schnell zu viel werden. Für mich also, das Totschlag-Argument Nummer 1.
Viele Reiseführer sind zwar ein wenig kleiner, leichter und vielleicht sogar richtig handlich. Dennoch nehmen sie (zu viel) Platz im Rucksack weg.
Die Lösung:
Schau Dich vor Ort in Hostels oder Restaurants um. Meistens liegen zu den einzelnen Regionen immer zahlreiche Reiseführer herum. Die kannst Du Dir auf einen Café für einen kurzen Überblick schnappen, und danach einfach zurücklassen. Hier kleben manchmal sogar noch Zettelchen von anderen Reisenden drin, die oftmals tolle Tipps für Dich parat haben.
Alternativ dazu sind Lonely Planet Bücher natürlich auch als eBook zu haben. Die ultimative Lösung falls Gewicht für Dich das einzige Contra Argument gegen Reiseführer ist…
Der Preis:
Reiseführer sind meistens gar nicht so günstig. Wenn wir beim Lonely Planet für Brasilien bleiben, kostet der mal eben schlappe 27 Euro. Manchmal gibt es zwar auch gebrauchte Exemplare, die Dank des ein oder anderen Eselsohres ein bisschen preiswerter sind. Trotzdem würde ich das Geld lieber sparen, und vor Ort für etwas Nützliches ausgeben.
Die Lösung:
An fast allen Orten gibt es Touristen Informationen, bei denen Du Dich mit Infos und Stadtplänen ausstatten kannst. Oft liegen auch regionale Zeitschriften in Cafés aus, die über die aktuellsten Freizeitangebote und Termine berichten. Und die sind in der Regel sogar kostenlos.
Ohne Reiseführer? Geht gar nicht?!
Wenn Du trotzdem ohne Deinen Reiseführer keinen Fuß vor die Tür setzt, kann ich Dir jede einzelne Ausgabe des Lonely Planet empfehlen.
Wenn es mich vor oder während einer Reise doch mal überkommt, und ich dringend aus einem schlauen Buch ein paar Informationen ziehen möchte, kommt mir nur der Lonely Planet in die Hand:
Die schlauen Bücher gibt es eigentlich über jedes Land auf diesem Planeten. Die Mischung aus (wenigen) Bildern, vielen Informationen und Tipps abseits der obligatorischen Touristen Nester, finde ich (abgesehen von meinen obigen Kritikpunkten) einfach am Besten.
Ausserdem gibt es sie in mehreren Sprachen, und dadurch unterwegs zumindest auf englisch überall zu kaufen. Die Lonely Planet Reiseführer werden in der Regel auch häufig aktualisiert, so dass das Problem mit dem Alter, manchmal gar nicht so problematisch ist.
Ich bleibe dennoch konsequent: Reiseführer und ich, das war einmal. Wir haben ein paar tolle Abenteuer zusammen erlebt. Ich bin diverse Male mit dem ein oder anderen im Bett gelandet. Doch damit ist jetzt Schluss:
Neue (Reise-) Lieblinge schaffen es bei mir nur noch in aktueller und regionaler Variante in die Planung. Vorbei die Zeit, in der ich mich auf eingestaubte Typen verlassen habe, die sich lässig an die Wand eines Holzregals lehnen und mit ihren Abenteuern aus vergangenen Tagen prahlen.
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Reiseführer ja oder nein? Wer darf (wenn überhaupt) bei Dir mit ins Gepäck?
Oliver Heimbold says
Hallo Janina,
toller Artikel, der mich inspiriert dieses Thema demnächst in Videoformat zu packen. Ergänzend dazu kann ich noch sagen, dass wir vor ungefähr einem Jahr ein Großteil unserer Büchersammlung mit einigen Reiseführern ausrangiert haben – und dabei noch Geld hängen geblieben ist. Denn statt diese Bücher einfach zu verschenken oder gar frevelhaft wegzuschmeißen gibt es Plattformen, die gebrauchte Bücher annehmen und dafür Geld bezahlen: So haben wir alle unsere Bücher eingescannt (per Handy-App) und in ca. 5 Kartons gepackt. Diese haben wir zum Teil zu Momox und zu Rebuy gesendet. Das geniale ist, dass diese Plattformen mit Hermes Abholservice zusammen arbeiten – damit konnten wir uns das “gebuckel” zur Postfiliale sparen. Auffallend war, dass gebrauchte Fachbücher und vor allem Reiseliteratur echt gut bezahlt wurden.
Janina says
Lieber Oliver, so habe ich es auch gemacht 🙂 Hat wunderbar geklappt… Liebe Grüße!