Irgendwie sieht Alles anders aus. Die Strassen. Die Häuser. Die Autos. Selbst das Meer. Es funkelt anders. Hat seinen Glanz verloren. Noch vor zwei Wochen sind wir hier durch Encinitas gefahren. Die selben Strassen. Die selben Häuser. Die selben Autos. Das selbe Meer. Mit einem Kribbeln im Bauch. Mit einem Lachen auf den Lippen. Mit vielen Funken im Herzen. Zwei Wochen können Einiges verändern. Zwei Wochen können Alles verändern.
Roadtrip Richtung Norden:
Mit einem Mietauto fahren wir die Küste entlang. Das Fenster ist geöffnet. Die Musik aufgedreht. Die Stimmung wundervoll. Auch wenn der Abschied aus Encinitas schwer fiel. Wehtat. Wir kommen wieder. Irgendwann. Doch jetzt geht’s erstmal weiter. Richtung Norden. Richtung Santa Cruz. Vor zwei Jahren hatte ich hier zum ersten Mal von Digitalen Nomaden gehört. In einem Hostel. Downtown. Zurück in Deutschland unser Leben geändert. Maxi gepackt und die Welt erkundet.
Zwei Jahre später kommen wir gemeinsam an diesen Ort zurück. Gleiches Hostel. Gleiches Zimmer. Gleiches Bett. Irgendwie schließt sich der Kreis. Irgendwie macht es Alles Sinn.
Wie wir gemeinsam durch Santa Cruz skaten. Ein besonderer Platz für mich. Anscheinend auch ein besonderer Platz für Max. Hier liegt nicht nur der Grundstein von unseren Reisen. Sondern auch der Grundstein von unserem Skaten. Santa Cruz. Schon der Name lässt mich strahlen. Den ganzen Tag sind wir unterwegs. Erkunden die Stadt. Erkunden die Strassen. Springen Bordsteine hoch und runter, mein Herz hüpft vor Freude in die gleiche Richtung.
Im Skatepark um die Ecke traut sich Max das erste Mal in eine Rampe rein zudroppen. Ohne Hilfe. Ohne mich. Ein absoluter Meilenstein, der mir die Sprache verschlägt. Es passt Alles. Santa Cruz. Skaten. Wir. Bis zu dem Moment, als er plötzlich wegrutscht. Nach hinten fällt. Ich versuche, ihn zu halten. Doch stattdessen auf ihn drauf falle. Mein Bein wie in Zeitlupe zur Seite weg knickt und ich zurück in Echtzeit auf die Innenseite von meinem rechten Knie falle.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir beim Sport wehtue. Es ist nicht das erste Mal, dass ich auf harten Betonboden knalle. Doch es ist das erste Mal, dass es sich anders anfühlt. Komplett anders. Ich schaffe es gerade noch aus der Skaterampe herauszuklettern, dann ist Schluss. Mein Bein knickt nach hinten durch. Fühlt sich an wie Wackelpudding und wird sofort dick. Die Deutsche Familie neben uns besteht zu 50% aus Fachpersonal, die ärztliche Schnelldiagnose führt uns direkt in die nächste Notaufnahme.
Notaufnahme Santa Cruz: Skater Knie vs. Surfer Arm
Rein in den Rollstuhl. Einmal quer durch die Erstversorgung bis hin zu ein paar hübschen Röntgenaufnahmen. Die gute Nachricht: Es ist nichts gebrochen. Die schlechte Nachricht: Bänder kann man per Röntgenbild leider nicht checken. Ein nettes Erinnerungsfoto. Eine Menge Papierkram. Noch mehr Tränen. Krücken, Eis und weiter geht’s in unser Hostel. Ab jetzt im Schneckentempo. Ab jetzt nur noch mit fremder Hilfe. Maxi hier, Maxi dort. Selbst um zur Toilette zu kommen, brauche ich vorerst Unterstützung. Abhängigkeit deluxe, für mich der absolute Albtraum. Und das in Santa Cruz.
Am nächsten Tag brechen wir auf. Rein ins Taxi, das Knie auf Eis in Richtung San Francisco. Alleine schaffen wir das momentan nicht. Im Norden wartet zum Glück schon ein Freund auf uns. Vor ein paar Moneten sind wir noch zusammen in Nicaragua gesurft. Ab heute darf er mich in Oakland pflegen. Rund um die Uhr Betreuung. Den geplanten Besuch hatten wir uns eigentlich anders vorgestellt. Situationen annehmen fällt manchmal schwer. Situationen annehmen muss manchmal sein.
Eine Woche bleiben wir hier. Humpeln von einem Arzt zum nächsten. Bis ins MRT. Bis zur finalen Diagnose. Das Innenband ist kaputt. Das Reisen erstmal neben mein Knie auf Eis gelegt. Mindesten vier Wochen Physio Therapie sind angesagt. Wenn möglich sogar länger. Mindestens vier Wochen Pause sind angesagt. Wenn möglich sogar länger. An einem Ort, den wir schon kennen. An einem Ort, den wir schon mögen. An einem Ort, an dem wir schon Freunde haben. Encinitas. Ein paar Tage später ziehen wir wieder los. Zurück in Richtung bekannter Umgebung. Noch ein paar Stunden, dann kann die Reha beginnen. Südkalifornien, du hast uns wieder.
Notaufnahme die Zweite: Krankenbett Surfing in Encinitas
Jetzt wird es hoffentlich ruhig. Jetzt wird es hoffentlich Alles wieder gut. Mein Bein sieht allerdings nicht ganz danach aus. Nach der ersten Nacht in bekannten Gefilden schwillt mein Fuß immer mehr an. Ein Freund aus Neuseeland schlägt am Telefon Alarm.
Das sieht wirklich nicht gut aus. Das solltest Du checken lassen. Am Besten sofort.
Nächster Tag. Nächstes Krankenhaus. Nächste Notaufnahme. Nächste Hiobsbotschaft. Im Unterschenkel hat sich eine Thrombose gebildet. Das war knapp.
Das Gesicht des Arztes ist mindestens so blass wie meines. Nur was die Heulerei angeht, kann ich eindeutig mehr punkten. Selbst er ist überrascht. Selbst ich bin geschockt. Für das nächsten halbe Jahr muss ich Blutverdünner einnehmen. Regelmäßige Tests machen lassen, wie sich das Ganze entwickelt. Mehr als einen Gang zurück schalten. Die Reiserei vorerst überdenken. So kann es gehen. Oder in meinem Fall an Krücken humpeln.
Und wo sind all die Freunde hin?
Völlig aufgelöst liegen Maxi und ich in dem frisch bezogenen Krankenhausbett. Skype läuft auf Hochtouren. Die Leitung führt in alle Teile dieser Welt. Familie, Freunde. Alle sind da. Trotz Zeitverschiebung. Trotz tausender Kilometer Entfernung. Bauen uns auf. Sprechen uns gut zu. Das wird schon wieder. Das braucht halt Zeit. Das braucht halt Unterstützung. Doch die Kalifornische Version davon bleibt leider aus.
Von all den freundschaftlichen Liebesschwören, die wir bei unserer Abreise vor zwei Wochen mit auf den Weg bekommen haben, ist hier und jetzt leider nichts mehr übrig. Kein Einziger schafft es ins Krankenhaus. Kein Einziger schafft es auch nur in unsere Nähe. Weder heute, noch in den nächsten Tagen. Dass Amerikaner oberflächlich sind, wusste ich schon vorher. Dass Kalifornier noch einmal eine Nummer schlimmer sind, wusste ich auch. Dass es selbst in Notsituationen so ist, hätte ich nicht gedacht. Ich weiß gar nicht, was mich mehr schockiert: Krank im Urlaub mit Kind oder meine falschen Freunde. Nach Regen kommt Sonnenschein. Und damit dann vielleicht auch die Gut-Wetter-Freundschaften zurück. Bis dahin sind wir aber schon längst wieder weg.
Mit einem hoffentlich einigermaßen funktionsfähigen Knie. Mit hoffentlich einigermaßen fließendem Blut. Mit hoffentlich einer bleibenden Erkenntnis im Gepäck. Zwei Wochen können Einiges verändern. Zwei Wochen können Alles verändern.
Welche Erfahrungen hast Du krank im Urlaub mit Kind gemacht?
Gabi says
Ich wünsche dir gute Besserung und etwas Geduld????
Janina says
Danke 🙂
Birgit Corall says
Hallo liebe Janina und lieber Max,
so ein Mist, was dir da passiert ist! Ich sitze im Zug nach Berlin, draußen Schneegestöber und lese deinen Blog. Ich wünsche dir, dem Knie, der Wade gute Besserung und das alles ohne weitere Hiobsbotschaften verläuft. Schade, dass du nicht in München in KKH bist – da könnte ich schnell mal vorbeikommen (nach Berlin :). Ich drücke euch beiden in der Ferne also die Daumen und schicke euch die besten Wünsche, liebe Grüße Birgit
Janina says
Oh Danke liebe Birgit 🙂 Freue mich schon auf unsere nächste Kaffee-Kuchen-Tratschrunde… Hab viel Spaß in Berlin, schicke Dir Sonne!
Anne says
Liebe Janina, lieber Maxi und natürlich: lieber Bärti!
Ich folge Euch jetzt schon eine ganze Weile und bewundere (und beneide) Euch immer wieder! Irre, was Ihr schon gesehen und erlebt habt und sooo toll, was Du, liebe Janina, Deinem Sohn für einen grandiosen Blick auf die Welt und Start ins Leben ermöglichst! Jetzt läuft es gerade nicht so toll bei Euch – aber lasst Euch bitte nicht entmutigen. Auch das wird am Ende nur eine Erinnerung sein und etwas, was man später immer erzählen kann. Ich drücke ganz fest die Daumen, dass schon bald wieder bessere Zeiten kommen und Ihr beide noch ganz viel sehen und erleben werdet auf Eurer tollen Reise.
Ich werde Euch weiter folgen – wenn auch nur als Leser und Hörer – und danke für die tollen Berichte.
Alles Liebe, Eure Anne
Janina says
Liebe Anne, wir beißen die Zähne zusammen 😉 Alles Liebe aus Kalifornien!
Iris Trefflich says
Liebe Janina, du Arme! Ich wünsche dir ganz schnell gute Besserung. Der Sonnenschein kommt auf jeden Fall, genauso wie dir jetzt ganz viele Menschen in Gedanken ganz nahe sind! Alles Gute und liebe euch aus Berlin, Iris
Janina says
Danke liebe Iris, wird schon bald Alles wieder besser… Viele Grüße aus Kalifornien
Hans-Georg Kaiser says
Hallo Janina,
Halte durch in den Stürmen und Meeren.
Halte durch auf den Gipfeln aus Eis.
Du halte durch, wenn im Smog dir die Luft fehlt
und der Nachbar vom Nachbar nichts weis.
Halte durch im Konzert der Gerüchte.
Halte durch, wo du Seligkeit übst.
Da halte durch, wenn Gemeinheit dich anfällt
aus den Augen der Frau, die du liebst.
Halte durch, das dir nicht, das dir nicht
irgendworan das Herz zerbricht.
Halte durch, das dir kein, das dir kein
Zustand zerstört das Menschlichsein.
Halte durch auf dem Sessel des Ruhmes.
Halte durch, wo dich Mittelmaß trifft.
Du halte durch, wenn besudelte Würde
fliegt in die Gosse und endet im Gift.
Halte durch, das dir nicht, das dir nicht
irgendworan das Herz zerbricht.
Halte durch, das dir kein, das dir kein
Zustand zerstört das Menschlichsein.
Manchmal schier aus Trieb und Gier
wird der Mensch zum Dschungeltier.
Schämt sich sehr
und holt sich wieder die verlorene Ehr.
Halte durch und lass krächzen die Raben.
Halte durch, jedes Durchhalten wiegt.
Halte durch, dass auf unserem Planeten
wie in dir selber die Menschlichkeit siegt.
Dein Leser H-G.K.
der die Rockband Karusssell zitierte:
Komposition: Reinhard Huth, Text: Kurt Demmler, Musik- und Tonregie: Siegbert Schneider
Produktion: Karl Heinz Ocasek (1980)
veröffentlicht auf der LP „Das einzige Leben“ (AMIGA 855 786)
Janina says
Toller Text, vielen Dank und liebe Grüße aus Kalifornien 🙂
Line Fuks says
Oh – ich wünsch Dir gute Besserung!
Als wir in der Wildnis in den USA waren, sagten ganz viele ganz schnelllllll “we love you” – und “we need you” –
Ups? Für mich super seltsam und aufgesetzt. Wie kann man jemanden lieben und brauchen, den man gerade mal 2 Minuten “kennt” –
Daher – ja. Ich empfinde die meisten “Amis” auch oberüberoberflächlich.
Gut, dass Du Familie und Freunde in D hast!
Gute und schnelle Genesung.
Die Line von der Wildnisfamilie
Janina says
Danke liebe Line, mir geht es ganz genauso! Umso schöner zu sehen, dass all unsere “echten ” Freunde überall auf der Welt für uns da waren und immer sind. Und ein paar vereinzelte hier auch… Alles Liebe für Euch!
Steffi says
Ahoi Janina und Maxi,
Ich wünsche euch trotz diesem Loch, in das ihr gepoltert seid, dass ihr im großen und ganzen guter Dinge seid und auch das negative auf eurer überwiegend bestimmt grandiosen Reise meistern könnt. Dass ihr gerade keinen kalifornischen Freundesrückhalt habt, tut mir leid für euch. Ich habe dort Freunde fürs Leben gefunden und kann deine Einschätzung von den Leuten dort nicht teilen. Vielleicht brauchen sie etwas länger um wahre Freundschaften entstehen zu lassen.
Wie dem auch sei, gute Besserung und hoffentlich komplette Heilung fürs Knie und euch beiden alles Gute,
Steffi
Janina says
Danke liebe Steffi 🙂
Diana says
Liebe Janina,
es tut mir leid für euch, dass gerade so viel schief läuft und ausgerechnet dann die Unterstützung vor Ort fehlt.
Deswegen wünsche ich euch, dass du schnell wieder auf die Beine kommst. Wenn ich euren Blog so verfolge, scheint ihr das Beste aus jeder Situation zu machen und das ist ganz wunderbar.
In diesem Sinne schnelle Genesung und liebe Grüße,
Diana
Janina says
Danke liebe Diana! Ja, wir lassen uns nicht unterkriegen 🙂 Viele Grüße aus Encinitas!
Romy says
Liebe Janina es tut mir sehr Leid das zu lesen.
Ich hoffe es geht dir bald besser!
Ich verfolge eure Reise schon von Anfang an und auch ich starte jetzt wieder mit meinem Sohn bevor es in die Schule geht und dann langes Reisen entgültig vorbei ist.
Wir fliegen am 11.4 nach LA und wollen von dort aus die Westküste entlang Richtung Kanada.
Wir würden uns sehr freuen euch zu treffen und vielleicht sogar ein Stück gemeinsam zu reisen wenn ihr Lust habt. 🙂
Liebe Grüße und eine ganz schnelle Genesung!
Janina says
Danke liebe Romy! Wir sind dann leider schon wieder weg, wenn Ihr kommt. Aber ich wünsche Euch ganz viel Spaß und danke Dir für Deinen Kommentar! Viele Grüße aus Encinitas!
Naddel says
Oh je das war ja viel zum wegstecken in kurzer Zeit! Gute Besserung! Wenn du etwas Ruhe auf einer Insel brauchen kannst,komm zu uns nach Bahia/Brasilien! Gerne auch kurzfristig! Auch wenn du mich nicht kennst,ich “verfolge” dich seit deinem Lanz Auftritt ???? meld dich gerne
Janina says
Mmmhhhhh, klingt verlockend 🙂 Danke für das Angebot, ich denke mal drüber nach 😉 Viele Grüße aus Encinitas!