Wie von der nicaraguanischen Tarantel gestochen, läuft er um den Tisch herum. Um mich herum. Immer wieder. Immer nerviger. Das dem Anlass entsprechend angerichtete Essen wird nicht eines Blickes gewürdigt. Die ein paar Meter entfernte Hütte dafür umso mehr.
Feliz navidad. Feliz navidad. Meinst Du, der Weihnachtsmann war jetzt endlich da?
Pures Warten. Pure Qual. Ich kann mich noch selber erinnern, wie lang mir jede Sekunde vorkam. Als Kind. Zu Weihnachten. Mit akkurat gefönten Haaren und ähnlich platt gebügeltem Kleidchen bin ich mindestens genauso penetrant um meine Eltern herumgehüpft. Bis die Reihenfolge zu Hause geändert wurde. Erst Bescherung. Dann Weihnachtsessen.
30 Jahre später ist Alles anders. Nicht nur die Strukturierung des Abendprogramms. Auch das Outfit von Max. Und die Haare. Das Gegenteil von glatt geföhnt. Heiligabend im Dschungel. Wilde Weihnachten.
Maria und Josef in Techno
Und das, obwohl im Vorfeld Nichts weihnachtet. Gar nichts. Weder das Wetter. Noch die Stimmung. Und zum ersten Mal vermisse ich etwas. Die kalte Luft am Morgen. Den heissen Glühwein am Abend. Und Lebkuchen, gebrannte Mandeln, Stollen in Maßen. Vielleicht sogar Massen. Schon letztes Jahr in Australien habe ich es ein bisschen gemerkt. Trotz Plätzchen backen am Strand. So richtig weihnachtlich ist das nicht.
In Nicaragua nochmal eine Nummer weniger. Denn selbst wenn spanische Weihnachtsmusik aus den Boxen schallt, und die Neonlichter Loveparade mäßig durch die feuchtwarme Nacht blinken: Der nette Versuch mit knallbunten Krippen die Jesusgeschichte darzustellen, scheitert. Zumindest bei uns. Nicht weiter schlimm, und dennoch eine interessante Feststellung. Weihnachten ist eben nur Weihnachten wenn es auch Weihnachten ist. Punkt. Und sogar ein kleines Ausrufezeichen.
Vulkan Eruptionen to go
Das Selbe hat sich wahrscheinlich auch die Köchin vom kleinen Imbiss um die Ecke des Masaya Vulkans gedacht. Und vor lauter Weihnachtsfrust das Händewaschen vergessen. Oder den Käse ein bisschen zu lange in der Sonne stehen lassen. Oder sich sonst einen kleinen Hygiene Fauxpas geleistet. Denn im Gegensatz zu der geologischen Touristenattraktion, die sich während unser Anwesenheit eher ruhig verhält, bricht unser persönlicher Vulkan ein paar Stunden später aus. Erst bei mir. Dann bei Max. Dann gemeinsam, tatsächlich sogar parallel. Das ist Familien Liebe auf höchstem Niveau.
Obwohl wir mittlerweile wirklich abgehärtet sind, und sowohl bei Wasser als auch Essen eigentlich keine Probleme mehr haben, erwischt es uns so richtig. Den kompletten dritten Advent. Statt drei Kerzen brennen zwei Speiseröhren. Singen fällt flach, wir liegen ähnlich platt im Bett. Und in solchen Momenten weiß ich wieder, warum ich bei unserer Reiseapotheke wirklich gut ausgestattet bin. Für genau diese Tage. Und Nächte. Wenn das Lutschen homöopathischer Kügelchen zum unumstrittenen Highlight wird.
Familienzusammenführung Nica Style
48 Stunden später sind wir wieder fit. Und in unserem Element. Mit einem alten amerikanischen Schulbus durchqueren wir das Land. Gemeinsam mit den Einheimischen, die Dank Quetschen auf höchstem Niveau in überdurchschnittlicher Anzahl mit in das klapprige Gefährt passen. Untermalt wird das Ganze von Lateinamerikanische Musik. Die anscheinend etwas in die Jahre gekommenen Stoßdämpfer lassen uns im passenden Takt über die Schlaglöcher auf den Strassen hüpfen. Mittlerweile haben wir schon in einigen Bussen gesessen. In verschiedenen Ländern, in verschiedenen Ausführungen. Und es macht mir immer wieder Spaß.
Denn wie so oft sind wir auch in Nicaragua die Attraktion. Werden angestrahlt. Angelächelt. Angequatscht. Berg und Tal Fahrt nach meinem Geschmack: Vorbei an wilder Natur. Wilden Straßen. Und perfekt in die Umgebung passenden kleinen Dörfern. Mit winkenden Kindern vor der Tür, und der halben Familie im Hintergrund.
Ein Teil unserer Familie wartet am Busbahnhof ein paar Dörfer weiter. Frisch angereist erst aus Deutschland dann Costa Rica. Gemeinsam soll es für uns drei weiter gehen. Richtung unruhigem Meer. Richtung stiller Nacht. Doch Busse in Nicaragua fahren nicht nach Plan. Verabredungen verlaufen deshalb eher planlos.
Einen ganzen Tag verbringen Max und ich an der besprochenen Stelle. Sunde um Stunde. Ankommender Bus um ankommender Bus. Menschenmassen steigen ein. Menschenmassen steigen aus. Nur nicht unser Ehrengast. Denn die sitzt ein paar Kilometer weiter an der Strassenecke. Lateinamerikanische Busse halten nicht nur wann sie wollen, sondern auch wo sie wollen. Am Ende finden wir uns. Am Ende lachen wir drüber. Am Ende schaffen wir es bis in unsere Unterkunft. Alle da. Alles klar.
Mehr als das. Weihnachten im Dschungel. Weihnachten unter Palmen. Weihnachten im Pool. Mit Affen in den Bäumen und Max im Wasser. Noch ein bisschen angeschlagen, doch fit genug für den großen Tag. Und der verläuft so harmonisch, wie im Dschungelbuch. Ohne Stress. Ohne Erwartungen. Ohne viel Klim Bim. Dafür mit ganz viel Yoga. Ganz viel Ruhe. Und einem ganz aufgeregten Max.
Der nach dem Essen zu unserer Hütte fetzt. Und sich vor Freude fast überschlägt. Trotz Abgeschiedenheit, trotz fremder Sprache – der Weihnachtsmann hat es geschafft. Bis nach Nicaragua. Bis in den Dschungel. Mit Lego im Gepäck. Wie gewünscht. Und einer neuen Bürste im Gepäck. Wie gewünscht. Mit akkurat gekämmten Haaren und breit grinsendem Gesicht läuft er um das Bett herum. Um ich herum. Immer wieder. Immer aufgedrehter. Bis die Strukturierung des Abendprogramms geändert wird. Erst Lego bauen. Dann Lego bauen. Die Heilige Nacht ist schließlich noch lang. Auch in Nicaragua. Feliz Navidad.
Hast Du schon einmal Weihnachten in Nicaragua mit Kind gefeiert?
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