Wir wohnen in einer großen Wohnung in einer der besten Gegenden in München. Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt. Auf den ersten Blick zumindest. Beim näheren Betrachten verändert sich vieles: Die Zimmer sind voll mit Dingen, die keiner so wirklich braucht. Vor der Tür steht ein Auto, mit dem keiner so richtig fährt. Wir haben alles, doch uns fehlt irgendetwas. Zeit. Gemeinsame Zeit.
Denn um dieses Leben zu ermöglichen, liegt der Fokus wo ganz anders. Auf einem Punkt, den jeder selber für sich setzen muss. Mir in der genormten Version aber immer fremder wird. Immer wieder kreist mir eine Frage im Kopf herum: Welche Werte für Kinder sind eigentlich wichtig?
Durch Reisen ändert sich etwas. Der Blickwinkel. Das Verständnis. Die Erwartung. Tausende Kilometer entfernt von dem, was in der westlichen Welt als normal und erstrebenswert angesehen wird, fällt es mir leichter die uns auferlegte Brille abzunehmen. Durchzuatmen. Durchzublicken. Und etwas hinter mir zu lassen, das für viele Jahre normal war. Und von anderen Kulturen immer mehr belächelt wird.
Tausche Geld und Status gegen Erfahrung und Glück. Auf Zeit? Hoffentlich für immer!
Denn das ist es, was ich Max mit auf den Weg geben will. Für unseren Gemeinsamen, und in ein paar Jahren für seinen Eigenen.
Zufriedenheit:
Das Streben nach mehr. Das Gefühl, Vieles zu verpassen. Sich etwas durch die Finger rinnen zu lassen. Möglichkeiten nicht zu leben. Immer nach links und rechts auf die Anderen zu schauen. Anstatt auf sich selber.
Das Erste, was mir auf Bali aufgefallen ist, sind die vielen strahlenden Gesichter. Geschmückt mit einem wunderschönen, echten Lächeln. Egal um welche Uhrzeit, egal in welcher Situation. Selbst in einem Restaurant, das spät am Abend kurz davor ist zu schließen. Bei einer Kellnerin, die wahrscheinlich die letzten Stunden unzählige Kilometer auf den Beinen war. Diese uneingeschränkte Herzlichkeit gepaart mit Zufriedenheit. Denn es geht um den Moment, und nicht um gestern oder morgen. Um das jetzt, und das ist gut so, wie es ist. Punkt.
Viele Gedanken, mit denen wir uns täglich beschäftigen, sind nach wenigen Minuten völlig unwichtig. Und haben uns davor doch so viel Zeit und Energie gekostet.
Natürlich müssen wir nach vorne schauen, und können nicht ohne jegliche Planung durch das Leben laufen. Aber alles in Maßen. Mir wird immer mehr bewusst, wie wichtig die schönen, ungeplanten Momente in unserem Leben sind. Und was für eine Kunst es ist, genau zum richtigen Zeitpunkt einfach zufrieden zu sein. Eine Kunst, die uns hier auf Bali in seiner schönsten Form jeden Tag präsentiert wird. Und wir versuchen, ein bisschen mehr mit in unser Leben einfließen zu lassen.
Hilfebereitschaft:
Maxi und ich waren auf Bali viel alleine unterwegs. Morgens. Mittags. Abends. In jeglichen Wetterlagen. Doch ich habe mich dabei nie einsam gefühlt. Wenn wir den Weg mal nicht gefunden haben. Der Tank auf einmal leer war. Der Roller angefangen hat, seltsame Laute zu machen. Egal, an wen wir uns in unserer „Not“ gewendet haben, alle um uns herum waren unglaublich hilfsbereit.
Oft sind wir im westlichen Alltag so mit uns selbst beschäftigt, dass wir gar keine Kapazitäten haben, uns um andere Menschen zu kümmern. In vielen Kulturen ist das anders. Und unglaublich wohltuend. Weil es automatisch passiert. Und von Herzen kommt. Besonders Kindern gegenüber.
Bei unserer Ankunft auf Bali haben wir uns völlig erschöpft vom anstrengenden Flug in ein kleines Restaurant geschleppt. Ziemlich übermüdet hingen wir über unseren Tellern und müssen wohl ein bisschen hilfsbedürftig ausgesehen haben. Beim Zahlen der Rechnung, hat der Besitzer des Restaurants mir angeboten, Maxi und meine Tasche nach Hause zu tragen. Ohne Hintergedanke. Aus reiner Hilfsbereitschaft.
Und das war nur der Vorgeschmack auf die Nächstenliebe, die uns entgegengebracht wird. Jeden Tag. In allen Lebenslagen.
Verständnis für Andere:
Blonde Haare. Helle Haut. Grüne Augen. Maxi sticht auf Bali aus der Masse hervor. Egal ob im Kindergarten oder beim Spielen am Strand. Eine Situation, die für ihn zu Beginn ziemlich neu war. An die er sich aber umso schneller gewöhnt hat. Denn obwohl er komplett anders aussieht und in vielen Dingen bestimmt auch anders als seine Freunde im Balinesischen Kindergarten ist: Er wird angenommen und akzeptiert so wie er ist.
Denn es ist zwar spannend seine Haare zu streicheln und seine Haut anzufassen, aber ändert nichts an der Situation, dass er sich genau wie alle anderen Kinder in der Gruppe verhält.
Und genau dieses Annehmen und Verstehen von Menschen, die auf den ersten Blick anders erscheinen, als wir selbst; das ist Etwas für unser Leben und unsere Gesellschaft unglaublich wichtiges. Umso glücklicher bin ich, dass er genau das auf unserer Reise für sich selber erleben, verstehen und hoffentlich anwenden kann.
Freiheit lieben und leben:
Das zu tun, was für uns selber wichtig ist. Was glücklich macht und einen Sinn ergibt. Selbst, wenn es abseits der Konventionen und dem Verständnis anderer Menschen ist. Nach links und rechts und dennoch auf uns selber zu schauen, ohne die Anderen dabei aus den Augen zu verlieren. Dinge tun, die mutig und neu sind.
All das möchte ich Max mit unserer Reise vorleben: Ihm die Möglichkeiten aufzeigen, die sich ergeben, wenn man gegen den Strom schwimmt. In die Richtung, die für einen selber am Besten ist. Auferlegte Muster mit Genuss zu brechen. Und dabei die Welt zu entdecken. Frei und glücklich zu sein. Wichtige Werte für Kinder zu vermitteln. Und Entscheidungen zu treffen, die genau das mit sich bringen.
Wie viele Zweifel und Zweifler mussten wir auf unserem Trip zurück lassen, um dort anzukommen, wo wir jetzt sind. Auf der ganzen Welt. Völlig frei. In einem Leben, das zu uns passt. Das wir lieben und leben. So wie wir sind. Und so wie es uns glücklich macht.
Auch wenn es nach aussen so einfach aussieht. Im Inneren aber mehr als wertvoll ist.
Wir wohnen in einem kleinen Zimmer an einem der schönsten Flecken dieser Erde. Nichts ist aufeinander abgestimmt. In dem Raum liegen lediglich die Dinge herum, die in unseren kleinen Rucksack passen. All das, was wir wirklich brauchen. Vor der Tür steht ein Roller, mit dem wir jeden Tag neue Abenteuer erleben. Denn wir haben Eines. Zeit. Gemeinsame Zeit.
Was möchtest Du Deinem Kind mit auf seinen Weg geben?
Rianna & Jeff says
L iebe Janina, du sprichst uns sowas von aus dem Herzen. Wunderschöne Worte! Danke, dass du uns an deiner Reise und an deinen Empfindungen teilhaben lässt. Liebe Grüße
Janina says
Danke und liebe Grüße aus Byron Bay 🙂
Tim says
Schöner Post!
LG Tim
Janina says
🙂
Fina Klein says
Sooo Schön geschrieben und so treffend formuliert… Vom anderen Ende der Welt! Ich hoffe du kannst dieses Gefühl auf der ganzen Welt im Herzen tragen, also auch Zuhause, in der großen Wohnung, in der alles ist was man nicht unbedingt zum überleben braucht…..aber so wie ich dich kenne, reicht deine positive Lebenseinstellung dafür aus! Liebe Grüße aus dem wirklich exklusiven und wunderschönen Voralpenland, in dem zur Zeit riesige Eiskristalle an den Bäumen in der Sonne glitzern und die Sonne die Berge in ein zartes rose taucht, und die Wiesen und Wälder mit einem eisigen Nebel umhüllt. Nur Mut, auch zu Hause gibt es einige “schönsten Orte der Welt” wir vermissen euch! Liebste Grüße von Reißmüllers
Janina says
Wir vermissen Euch doch auch!!! Aber die Welt ist einfach zu verlockend 🙂 Byron Bussi
Dina says
Liebe Janina!
Du machst das wunderbar und gibst dir und deinem Kind genau das, was es braucht:”Wurzeln und Flügel ”
Du inspirierst mich und ich überlege schon, wann wir (mein Sohn und ich) auf Reisen gehen.
Danke!
Dina mit Béla
Janina says
Liebe Dina, am Besten natürlich jetzt und sofort 🙂 Es ist das Schönste, was Euch passieren kann! Liebe Grüße aus Byron Bay!!!
Elle says
Wie schön ist bitte dieser Post. Ich verschlinge deinen Blog gerade , es macht so Spaß zu lesen und zu hören <3 Mein Sohn ist 8 und ich bin auch sehr bemüht ihm genau diese Dinge mit auf den Weg zu geben. Wir wohnen in einem kleinen Dorf auf dem platten Land und hier sind die Menschen schon sehr in ihrer kleinen Welt. Ohne das abwertend zu meinen. Jeder hat die Dinge die ihn glücklich machen. Jedoch kann ich als extrem freiheitsliebender Mensch mit dem Denken hier nicht mitgehen und so bekommt er beide Seiten "ab". Alleinerziehend mit ner Teilzeit Stelle habe ich natürlich nicht die Möglichkeit wer weiß wie oft oder weit zu verreisen, aber ich bin gerade dabei herauszufinden ob es für mich nicht erstmal schon reicht mit ihm in meine Ex Heimat Köln zurück zu gehen. Was sicherlich auch ein kleines Abenteuer werden würde. Dann Geld sparen und ab nach Bali <3 Der Plan klingt gut 😀 Danke für deine inspirierenden Worte und deine Lebensfreude. Ich hoffe es geht euch gerade gut in Neuseeland.. Viele Grüße
Janina says
Liebe Elke, ja Bali wäre bestimmt toll für Euch. Und Vorbereitung braucht es immer. Ich habe immerhin auch mehr als acht Jahre als “normale” Journalistin gearbeitet, bevor ich als Digitale Nomadin durchstarten konnte. Also gib Dir Zeit. Wünsche Euch auf jeden Fall ganz viel Spaß, wohin Eure Reise auch gehen mag… Viele Grüße aus Neuseeland, Janina