Es scheppert. Es knarrt. Es ruckelt. Und dazu ist es noch unglaublich warm. Links von mir sitzt ein Kubaner. Rechts von mir ebenfalls. Max habe ich auf meinen Schoss verfrachtet. Die Musikboxen hängen mir im Genick. Die daraus strömenden Töne in den Ohren. Das Taxi und wir Insassen schaukeln dazu im Takt. Ein bisschen frische Luft wäre schön, ein geöffnetes Fenster ein willkommener Teil davon. Doch leider scheinen sich die Fensterkurbeln schon vor längerer Zeit verabschiedet zu haben. Zumindest in die vorderste Reihe. Denn auf Nachfragen bekommen wir das ersehnte Werkzeug angereicht. Allerdings nur kurz.
Bitte Vorsicht, mi amor. Wir sind auf Kuba. Wenn die weg sind, gibt es keine mehr.
Andächtig schraube ich das Metallstück an die gepolsterte Autotür. Frische Luft. Weiter gehts. Durch ein Land, das mich überrascht. Durch ein Land, das mich erschüttert. Durch ein Land, in das ich mich trotzdem verliebe. Bis es scheppert. Lebensfreude pur. Das ist Kuba!
Kekse mit Mayonnaise und Kuchen mit Zucker. Viel Zucker.
Es dauert genau eine Sekunde. Eine Einzige. Und schon gehören wir zur Familie. Unserer Couchsurfing Gastfamilie. Werden umarmt. Geküsst. Geliebt. Auch vom Rest der Strasse. Denn heute sind Alle da. Umringen eine kleinen Jungen, der über das ganze Gesicht strahlt. Bis hin zu den schwarzen Haaren, die in der Sonne leuchten. Der Sohn unserer Gastfamilie hat Geburtstag. Wir sind mittendrin. In einer Feier, die für unsere Verhältnisse eher spärlich ausfällt. Was die Geschenke angeht. Und uns dennoch mit Reichtum erfüllt. Was die Freude betrifft. Der Gabentisch ist fast leer. Der Raum davor hingegen voll. Mit Menschen. Mit Glückwünschen. Mit Tanz und Freude.
Auf den Keksen klebt die Mayonnaise. Im Mund der viel zu süße Kuchen. In Deutschland würden sich bereits Berge türmen. Aus Geschenken. Aus Geschenkpapier. Hier nicht. Das Highlight des Tages ist ein gebrauchtes Keyboard. Gesponsert von einem Freund aus Europa. Eingepackt in eine Decke. Papier ist Mangelware. Alles andere auch.
Das Durchschnittseinkommen liegt bei 20 Dollar. Im Monat. Ärzte verdienen das Doppelte. 40 Dollar. Im Monat. Umgerechnet ca. 35 Kubanische Peso Convertible. Oder 930 Kubanische Peso. Es gibt nämlich zwei Währungen. Je nach Produkt, das damit bezahlt werden soll. Chaos, vor Allem für Mathehasser. Chaos, vor Allem für mich.
Große Sprünge können sie damit trotzdem nicht machen. Materielle Träume werden von Angehörigen erfüllt. USA, Europa, Kanada. Das Musikinstrument ist der Kubanisch-Italienischen Freundschaft zu verdanken. Die Freude darüber kommt von den Einheimischen. Selten habe ich ein so glückliches Kind gesehen. Selten eine so rührende Feier erlebt. Auch ohne Tonnen von Konsum. Glück braucht man nicht kaufen. Erst Recht nicht auf Kuba.
Mi amor, mi vida, mi corazón
Es sind die blonden Haare. Mal wieder. Es ist das untouristische Viertel. Mal wieder. Aber es ist noch mehr die Herzlichkeit. Mal wieder. Eigentlich hatte ich geplant eine kleine Rundreise durch Kuba zu unternehmen. Viel sehen, viel erleben. Doch irgendwie hat es uns gepackt. In Havana. Deswegen sind wir geblieben. In Havana. Inmitten unserer Kubanischen Familie. Inmitten unseres Kubanischen Alltags. In dem wir auf Einiges verzichten müssen. Und mit noch mehr beschenkt werden.
Internet gibt es auf Kuba nur in begrenzter Form. Sehr begrenzter Form. Wie so Vieles. Ein paar Plätze in Havana haben ein Wifi Signal. Für viel Geld gibt es wenige Karten mit entsprechenden Zugangsdaten fürs Internet. Wenn es funktioniert. Handysucht war gestern. Sozial(istisches) Leben ist heute. Doch was im ersten Moment mehr als nervig erscheint, ist am Ende eigentlich mehr als schön.
Immer wieder treffen wir in dem Park bei uns um die Ecke auf die selben Menschen. Neue Nachbarn. Neue Freunde. Neue Geschichten. Die Alle zwangsweise miteinander teilen. Tränen. Freude. Streitigkeiten. Kubaner sind feurig. Auch am Telefon. Kubaner sind feurig. Auch im direkten Umgang. Küsschen links, Küsschen rechts. Wir gehören mit dazu. Tägliche Liebesschwüre ebenfalls.
Reis und Bohnen mit viel Salsa
Lebensmittel sind Mangelware. Der Markt um die Ecke hat meistens labbriges Obst und Gemüse im Angebot. Der Supermarkt zwei Strassen weiter funktioniert nur mit Türsteherin. Lange Schlangen vor der Bude. Leere Regale innen drin. Essens Pläne gibt es nicht. Gekocht wird, was es hat. Und das weiß man nie. Trotzdem reicht es irgendwie. Reis und Bohnen sei Dank. Denn die gibt es eigentlich immer. In verschiedenen Varianten. Zu verschiedenen Tageszeiten. Dennoch immer lecker. Dennoch immer gut.
Am Besten mit Salsa. Dem Salsa. Komischerweise hatte ich vor Kuba noch nie Salsa getanzt. Wie doof. Eindeutig was verpasst! Bis zu dem Moment als unser Gastgeber sich als Tanzlehrer outet. Und mich ab jetzt täglich packt. Dreht. Wirbelt. Glücklich macht. Egal ob auf der Strasse, in unserer Küche oder sogar oben auf dem Dach. Salsa gehört zu Kuba dazu. Ab jetzt auch zu mir.
Die Luft pfeift uns um die Nase. Die alten Autos an uns vorbei. Schnell ist etwas anderes, auf Kuba geniessen wir. So wie die Anderen auch. Egal ob essen, einkaufen oder Auto fahren. Es dauert seine Zeit. Es hat seinen Charme. Vor Allem die Taxi Fahrten in das Stadtzentrum.
Mittlerweile haben wir uns angepasst. Verhandeln wie die Einheimischen. Leben wie die Einheimischen. Und lachen so wie sie. Kuba ist der Moment. Kuba ist der Augenblick. Kuba ist der Genuss. Tief aus dem Herzen heraus. Denn wer wenig hat, gibt offensichtlich viel. Und wenn es nur ein Lächeln ist. Ein strahlendes Gesicht. Oder gleich mehrere. Die uns jetzt an sich vorbei rutschen lassen. Taxis und Rückbänke teilt man sich. So wie Fensterkurbeln auch. Und noch viel mehr: Lebensfreude pur. Das ist Kuba!
Welche Erfahrungen hast Du auf Kuba mit Kind gemacht?
Renate says
Liebe Janina, Danke, dass Du uns immer mitnimmst, bon voyage weiterhin und Frohe Weihnachten ???????? Dir und Maxi, ich liebe Euch????, Danke! Renate
Janina says
Danke, liebe Renate und Dir auch Frohe Weihnachten aus dem Dschungel 🙂