Mit ihren Zeugnissen in der Hand und einem breiten Grinsen im Gesicht stehen sie mir gegenüber. Aber nicht lange, schon hängen sie mir um den Hals. Küsschen schmatzen, Umarmungen quetschen. Sommer 2015 in München. Die letzten Wochen habe ich als Deutsch Lehrerin sowohl Grammatik, als auch Wortschatz aber am Liebsten Deutsche Kultur und Eigenarten unterrichtet.
Mit meinen Schülern sowohl den Akkusativ versucht zu verstehen, als auch die Surfer am Eisbach bestaunt. Tränen nach morgendlichem Heimweh nach Hause und Kopfweh nach abendlichen Besuchen im Biergarten geheilt. Für viele von ihnen war es das erste Mal im Ausland. Ich als Lehrerin eine wichtige Kontaktperson. Besonders für die Kandidaten aus Asien, die oftmals noch sehr jung waren. Und oftmals sehr verloren.
„Komm nach Taiwan, komm nach Taiwan!“
Abschied fällt schwer. Versprechen geben auch. Vielleicht. Mal gucken. Irgendwann.
Mit unseren Rucksäcken auf den Rücken laufen wir durch den Flughafen. Ziemlich modern. Ziemlich organisiert. Ziemlich anders, als ich es mir vorgestellt habe. Die Schiebetür geht auf, und ich erkenne ihn sofort. Vor zwei Jahren saß er mir jeden Morgen gegenüber. Die Bücher vor der Nase, die Fragezeichen in den Augen. Jetzt steht er hier am Flughafen und nimmt uns in Empfang. Wir sind da. In Taiwan. Alles andere als lange geplant, mehr als unerwartet entschieden. Da die Flüge von Japan in die Mongolei mit Zwischenstopp hier einfach billiger sind, war der Plan schnell geschmiedet. Und organisiert. Eine Nachricht an meine ehemaligen Schüler, jetzt steht einer von ihnen hier. Fünf Tage bleiben wir. Fünf Tage unter den Fittichen von 18 Jährigen. Fünf Tage, die mich von Sekunde zu Sekunde überraschen.
So anders, so groß, so wild:
Taiwan war nie auf meinem Reise Radar. „Made in Taiwan“ auf meinen Spielzeugen das Einzige, was mich seit meiner Kindheit mit diesem Land verbindet. Völlig falsch. Völlig schade. Denn schon die ersten Stunden überraschen mich total. Taipei ist eine große Stadt. Modern. Durcheinander. Weder dreckig noch sauber. Dafür unglaublich wuselig. Nach Japan ein absoluter Kontrast. Für mich ein absolute Genugtuung. Das Organisierte gefällt mir zwar auch, das Wilde dennoch irgendwie mehr.
Ein bisschen wie Bangkok, und doch anders. Denn wo in Thailand hinter jeder Ecke mindesten zehn Abiturienten mit Rücksäcken lauern, scheinen wir hier eine große Ausnahme. Vor Allem ein bisschen abseits vom Stadtzentrum. Die meisten Touristen sind aus anderen Asiatischen Ländern. Blond sind hier fast keine. Englisch sprechen noch weniger. Aber herzlich sind sie dafür Alle.
Als wir am ersten Morgen nach dem Weg zu U-Bahn Station fahren, kann ihn uns leider niemand erklären. Höchstens auf Chinesisch. Bringt uns leider nichts. Und so sitzen wir eine Minute später auf zwei Motorrollern. Maxi vorne, ich hinten. Hilfsbereitschaft Made in Taiwan. Durch enge Gassen. Über verstopfte Kreuzungen. Bis hin zur total modernen U-Bahn.
In der die Ansagen sogar auf Englisch, Schilder verständlich und für Kinder extra Sitzmöglichkeiten gegeben sind. So fahren wir also mit einem Plan in der Hand, und verschiedenen Zielen vor Augen durch Taiwans Hauptstadt. Glücklich.
So organisiert, so fleißig, so herzlich:
Denn wir haben den absoluten Jackpot geknackt. So überfordert meine Schüler teilweise in Deutschland waren, so organisierter sind sie hier vor Ort. Planen, Diskutieren, Organisieren. Jeder Tag ist für uns komplett durchstrukturiert. Die jeweiligen Begleiter stehen pünktlich bereit. Da einige von ihnen im Job oder der Uni eingeplant sind, teilen sie sich auf. Bis ins letzte Detail. Schlafplätze mit Familienanschluss, Restaurants mit vegetarischen Gerichten, Buspläne mit eingekreisten Zielhaltestellen: Sie denken an Alles.
Doch nicht nur das. Sie sind vor Allem mehr als gerührt. Uns ihr Land zeigen zu dürfen. Ihre Familien. Ihre Kultur. Ihre Heimat. Von der sie mir im Unterricht so viel erzählt haben. Und jetzt kommen mir die Tränen. Vor Rührung. Wie sie sich fast zerreißen um uns die fünf Tage hier unvergesslich zu gestalten.
Selbst die Eltern sind dabei immer wieder involviert. Nehmen uns mit auf Ausflüge. Fahren uns in der Gegend umher. Sitzen stundenlang im Auto um uns die schönsten Ecken der Insel zu zeigen. Ihr Taiwan. Von dem wir leider nur einen Bruchteil entdecken können. Es dennoch ausreicht. Um wiederzukommen. Und noch mehr zu entdecken. Von der wundervollen Landschaft. Den Bergen. Den Stränden. Sogar den Surfwellen, die es hier im Süden gibt. Und vom Chinesisch. Was sowohl Max als auch mich unglaublich fasziniert und reizt.
So jung, so vernetzt, so digital:
Doch nicht nur die Schönheit des Landes und die Herzlichkeit der Menschen wird mir hier in Taiwan bewusst. Auch der Unterschied zwischen den einzelnen Generationen. Irgendwie dachte ich, dass ich als Digitale Nomadin und Hippie Mutter eher noch zum jungen Eisen gehöre. In meiner Altersklasse. Gar nicht so weit entfernt von den 18 Jährigen, die momentan um mich herum springen. Falsch gedacht. Weit gefehlt.
Denn die Universen dazwischen sind mehr als offensichtlich. Je länger ich zwischen ihnen hin und her springe. Vor Allem was die sozialen Medien angeht, überraschen sie mich. Ob positiv oder negativ bin ich mir nicht ganz sicher.
Denn Instagram scheint mittlerweile zu bestimmen. Die besten Plätze sind die, mit den meisten Fotos. Die besten Fotos die, mit den meisten Likes. Und so fahren wir durch das Land, auf der Suche nach den Orten, an denen alle Anderen auch schon waren. Und halten die Momente fest, genauso wie es alle Anderen auch schon gemacht haben. Coole Erinnerungen in der Massenproduktion.
Gepaart mit heißen Tipps abseits vom Massentourismus. Taiwan mit Kind ist einfach unglaublich. Unglaublich schön. Denn es gibt so viel zu entdecken, so viel zu erleben, so viel zum Erinnern. Vor Allem mit den besten Reiseführern, die wir uns hätten wünschen können. Dort wo wir vor wenigen Tagen in den Empfang genommen wurden, müssen wir uns schon wieder verabschieden. Küsschen schmatzen, Umarmungen quetschen. Sommer 2017 in Taiwan. Ein Zeugnis über ausreichende Chinesisch Kenntnisse nehmen wir zwar nicht mit auf unsere weitere Reise. Dafür einen ersten Eindruck über ein von mir viel zu wenig beachtetes Land.
Abschied fällt schwer. Versprechen geben auch. Doch wir kommen wieder. Auf jeden Fall. Ganz sicher. Hoffentlich bald.
Hast Du schon einmal einen Abstecher nach Taiwan mit Deinem Kind gemacht?
Simone Heinen says
Ich fliege am Montag mit 2 kleinen Kindern alleine nach Taiwan und bin mal gespannt 🙂
Janina says
Habt ganz viel Spaß!!!