Wir sitzen im Zug durch Vietnam. Winter vor einem Jahr. Seit Tagen fühle ich mich gehetzt. Und dabei müsste ich doch ziemlich entspannt sein. Immerhin sind wir schon seit einem Monat in Süd-Ost Asien unterwegs. Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass irgendetwas falsch läuft.
Die Landschaft rauscht an uns vorbei und wir werden immer mehr zu Beobachtern hinter der gläsernen Scheibe. Ich möchte so viel wie möglich von diesem tollen Land sehen, es einmal vom Norden bis in den Süden durchqueren. In wenig Zeit. Das ist reizvoll. Aber eines haben wir seit Tagen vergessen: Richtig anzukommen.
Abends ist mein Blick starr nach vorne auf den Rechner gerichtet. Um die besten Unterkünfte in den nächsten Städten ausfindig zu machen. Was links und rechts passiert, bleibt mir immer mehr verborgen.
Wenn Du für eine Reise mit Deinem Kind nur einen relativ kurzen Zeitraum zur Verfügung hast, geht es manchmal einfach nicht anders. Der Zeitplan ist knapp bemessen.
Ich habe mittlerweile allerdings festgestellt, dass genau das Gegenteil von einem Kurzurlaub mit Kind einfach mehr ist.
Mehr für mich. Mehr für Max. Mehr für unser Glück.
Also habe ich aus den Fehlern der vergangenen Reisen gelernt, und der Plan auf unserer Weltreise ist klar: An jedem Ort bleiben wir mindestens einen Monat. Vielleicht sogar länger.
Gründe dafür gibt es viele. Die vier Wichtigsten, habe ich für Dich zusammengestellt.
1. Neue Menschen kennenlernen:
Wenn Du mit Deinem Kind von einem Ort zum nächsten hetzt, wird Dir das Wichtigste verborgen bleiben: Die Menschen. Denn natürlich könnt Ihr keine Freundschaften schließen, wenn Ihr immer nur auf der Durchreise seid. Wie auch? Und dabei ist das für mich, der wichtigste Aspekt auf reisen. Die Menschen und Kulturen der einzelnen Länder kennenzulernen.
Und auch für Dein Kind ist es etwas ganz besonderes, wenn es auch weit entfernt von zu Hause die Möglichkeit hat, Freundschaften mit anderen Kindern zu schließen. Besonders faszinierend finde ich hierbei immer, wie sich die Kleinen ohne ein gemeinsames Wort, auf ihrer eigenen Sprache verstehen. Maxi redet mittlerweile schon ein paar Brocken balinesisch und ist ganz stolz darauf.
Neben den Menschen solltest Du Dir auch genug Zeit für die neue Kultur gönnen: Du wirst die spannendsten Dinge erfahren, die in keinem Reiseführer dieser Welt stehen, wenn Du Dich mit Einheimischen in einem ruhigen Moment über ihre Kultur unterhältst.
Wir sind vor Kurzem durch Zufall bei einer balinesischen Familie im Vorgarten gelandet. Daraufhin haben sie uns gleich zu sich in die Küche eingeladen, und während Maxi mit den Kindern gespielt hat, konnte ich die Frau über balinesische Traditionen ausquetschen. Im lustigsten Mix aus Englisch, Deutsch und Balinesisch habe ich unglaublich viel über das Familienleben auf Bali, ihre Werte und Hoffnungen erfahren.
Was für ein Geschenk, an dem ich mit zeitlichem Druck ganz sicher direkt vorbei gehetzt wäre.
2. Ein kleines zu Hause haben:
Manchmal kann es ganz schön anstrengend sein, so weit von Eurem eigentlichen zu Hause entfernt zu sein. Umso wichtiger ist es deshalb, in der Ferne für längere Zeiträume ein kleines zu Hause zu schaffen. Einen Raum in dem Ihr Euch wohlfühlen, und innerhalb der Reise immer wieder gerne zurück kehren könnt. Zur Ruhe kommen, trotz der ganzen Aufregung und vielen neuen Eindrücke.
Wir haben solche Orte auf Bali immer über Airbnb gefunden. Direkt am ersten Tag habe ich dann gleich Postkarten und Bilder von zu Hause aufgehängt, Maxi hat seine Spielsachen wild auf dem Boden verteilt, und mit wenig Aufwand haben wir in unseren kleinen Hütten am anderen Ende der Welt unser neues zu Hause auf Zeit geschaffen.
3. Auf „Reise-Modus“ umschalten:
Leider gar nicht so einfach, ich weiß. Doch je schneller Du in diesen Modus kommst, desto besser ist es. Für Euch beide. Lass so schnell es geht den ganzen Stress von zu Hause hinter Dir, und Dich von jetzt an nur noch treiben:
Ihr wollt morgens gerne bis in die Puppen schlafen? Na logo! Maxi und ich stehen hier auf Bali nie vor 10 Uhr auf und das ist im Moment genau das Richtige für uns.
Mach bloß nicht zu viele Pläne im Vorfeld, sondern lass die Tage einfach so auf Dich zukommen. Wann hast Du denn sonst dazu die Möglichkeit? Es ist ein wahnsinnig schönes Gefühl, keine mit Kindergarten, Fußballtraining etc. vollgestopften Tage vor sich zu haben. Sondern einfach nur das zu tun, was sich gut anfühlt.
Um 20 Uhr noch kurz bei Eurem neuen Lieblings-Cafe vorbei laufen um zwei dicke Stücken Kokos-Kuchen zu verdrücken? Was für ein Luxus im Anschluss mit vollgestopften Bauch und jeder Menge Hörspiele im Ohr im Bett zu liegen, bis ihr die Augen nicht mehr aufhalten könnt. Genießt es, denn zurück im Alltag in Deutschland werdet Ihr Euch nach genau diesen Momenten ganz schnell wieder zurück sehnen.
4. Deine Heimat und Dich mit Abstand betrachten:
Freu Dich über die Chance, mehrere tausend Kilometer von zu Hause entfernt, endlich mal die Möglichkeit zu haben, Dinge mit gehörigem Abstand zu betrachten. Egal ob Freundschaften, Beziehungen oder den alltäglichen Wahnsinn, in dem Ihr Euch sonst so befindet. Aus der Vogelperspektive kannst Du ganz andere Gedanken fassen, und viele Dinge unglaublich klar sehen.
Gerade wenn Ihr viel Zeit an einem neuen Ort verbringt, gibt es Dir auch die Möglichkeit über Dich persönlich in dem ganzen Konstrukt nachzudenken. Facetten an Dir zu entdecken, die Dir bis dahin vielleicht sogar fremd waren:
Dir zerreißt es schon nach wenigen Tagen vor Heimweh das Herz? Wie schön!
Freu Dich auf Dein zu Hause, und lern es wieder ganz anders zu schätzen. Aber sei Dir auch bewusst, dass Regentage, kalte Temperaturen und grimmige Mitmenschen schneller zurück sein werden, als Dir wahrscheinlich lieb ist.
Wir sind nun schon seit fast drei Monaten auf Bali. Ohne Pläne. Ohne Termine. Wir sind einfach hier. Genießen es in vollen Zügen. Aus einer völlig neuen Perspektive: Statt hinter der Glasscheibe, sind wir dieses Mal mittendrin.
Und mit neuen Freunden, einem kleinen zu Hause und einem objektiven Blick auf unsere Heimat ausgestattet, können wir dann irgendwann weiter ziehen. Down Under, zum nächsten Winter Abenteuer. Natürlich wieder im Langzeitformat.
Denn: Die Anfängerfehler haben wir letztes Jahr einfach im vietnamesischen Zug gelassen.
Wie lang ist Deine perfekte Reise mit Kind?
Irma Schröder says
Liebe Janina, seit der Reportage im ZDF verfolge ich Eure Reise und der Neid ist leider ganz erheblich :-). Auch ich war mit meiner Tochter vor vielen vielen Jahren auf tollen Reisen, auch wenn ich leider nie die Möglichkeit hatte länger als 4 Wochen unterwegs zu sein. Jetzt ist sie selbst ein digital Nomad und ich beneide alle die das können. Wir hatten leider in den 70er und 80er Jahren nicht die technischen Möglichkeiten so zu leben. Das wärs gewesen !!!
Deswegen verfolge ich umso gespannter Eure Reise und wünsche Euch alles alles Gute für die Zukunft. Bärti muss mit ist zu meiner täglichen Lektüre geworden 🙂
Janina says
Oh wie toll, liebe Irma. Da freu ich mich total. Auch, dass Deine Tochter ebenfalls zu uns Digitalen Nomaden dazu gehört. Ich bin so froh, diese Art des Arbeitens und Lebens für uns entdeckt zu haben… Alles Gute für Dich und viele, liebe Grüße von Bali!
Ela says
Hallo Janina und Maxi, Tia (5 Jahre) und ich verschlingen gerade alles von euch was wir zu lesen und hören bekommen ???? Unsere Reise startet am 20.12.2017 nach Bangkok und das ist auch schon der ganze Plan. Ab dort wollen wir uns treiben lassen wann und wohin es uns treibt. Wie habt ihr das jeweils z.b. auf Bali mit dem Visum gemacht?
Habt noch ne tolle Zeit!!!
Janina says
Liebe Eva, wie schön, dass Ihr auch loszieht. Thailand ist so toll. Meine Lieblingsinsel: Koh Mak. Wegen Visa etc. informierst Du Dich am Besten bei der entsprechenden Botschaft, die wissen Bescheid! Liebe Grüße!